Zwischen Inszenierung und Botschaft

von: Ilse Nagelschmidt, Lea Müller-Dannhausen, Sandy Feldbacher (Hrsg.)

Frank & Timme, 2006

ISBN: 9783865960740 , 250 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: DRM

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Preis: 24,99 EUR

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Zwischen Inszenierung und Botschaft


 

Heidelinde MÜLLER
Das 'literarische Fräuleinwunder' – Inszenierungen eines Medienphänomens
(S. 39-40)

Die deutsche Literatur galt mit ihren politisch-philosophisch geprägten Betrachtungen und essayistisch ausgebreiteten Selbstfindungsromanen lange als schwierig und ernst. Dieses Bild änderte sich in den 90er Jahren: Junge deutsche Autorinnen und Autoren wurden en vogue und unter dem Schlagwort der 'neuen Lesbarkeit' schien eine neue deutsche Literatur ihren Siegeszug anzutreten. In diesem Kontext wurde dem so genannten 'literarischen Fräuleinwunder' eine Vorreiterrolle zugewiesen. Diese Bezeichnung, die 1999 von Volker Hage in dem Spiegel-Artikel Ganz schön abgedreht geprägt wurde, umfasste eine Gruppe junger Autorinnen, denen eine frische Sprache und eine unverkrampfte Schreibweise bescheinigt wurden. Hage subsumierte so unterschiedliche Autorinnen wie Judith Hermann, Zoë Jenny und Karen Duve unter einem Begriff, indem er ihnen Lust am Erzählen und den Mut, großen Gefühlen Raum zu geben, attestierte. Außerdem betonte Hage, dass diese neuen Autorinnen jung und attraktiv seien. Er ergänzte seinen Artikel mit einer Auswahl von Fotografien, welche die Autorinnen in erotisch-geheimnisvollen bis lasziven Posen zeigen. Diese Aufnahmen, die über das Format des neutral gehaltenen Autorinnenporträts hinausgingen, unterstrichen das Lustvolle, das ihrer Literatur bescheinigt wurde.

Schon eine flüchtige Auseinandersetzung mit dem 'literarischen Fräuleinwunder', das in der Folge im Feuilleton Karriere machte und von vielen Seiten, auch kritisch, aufgegriffen wurde, zeigt, dass hier nicht in erster Linie eine neue Form von Literatur, sondern vielmehr der Typus der schreibenden Frau in Szene gesetzt wurde. Schon bei der flüchtigen Beschäftigung mit den Werken der genannten Autorinnen wird deutlich, dass hier unter einem Begriff eine Vielzahl unterschiedlicher Schreibweisen in den "gleichen weiblichen Eintopf" geworfen wurden. Tatsächlich liegt also der Verdacht nahe, dass diese Gruppenbildung eine Inszenierung ist und zwar die Inszenierung eines an bestimmten Vorstellungen ausgerichteten Autorinnenbildes.

Inszenierungsprozesse spielen im öffentlichen Medienkontext eine immer größere Rolle und auch im Literaturbetrieb bekommen sie ein zunehmend größeres Gewicht. Zwar ist diese Entwicklung nicht neu, auffällig ist dennoch, dass sich Tendenzen der Kommerzialisierung und Medialisierung im Literaturbetrieb verstärkt haben. Die Bedeutung von Inszenierung steigt, weil es im sich ständig schneller drehenden Buch- und Vermarktungskreislauf schwieriger wird, neue Gesichter, Namen und Bücher auf dem Markt zu lancieren. Auch das Schreiben über Literatur wird öffentlichkeitswirksamer, weil ein Buch dann am stärksten in den Fokus des allgemeinen Interesses rückt, wenn es als neu und sensationell dargestellt wird. Im Zuge der Personalisierungstendenzen im Literaturbetrieb hat sich auch die Rolle der Kritikerinnen und Kritiker gewandelt. Sie werden, wie Marcel Reich-Ranicki oder Elke Heidenreich, selbst zu Stars und sind von Vermittlern längst zu Machern von Trends und Stars geworden. Und schließlich hat sich in dem Maße, in dem Literatur sich als Event etabliert, auch das Bild des Schriftstellers verändert: Autoren verkörpern ein Lebensgefühl und ein Image, sie geraten als Mitglieder einer Szene, über Provokationen oder indem sie Klischees bedienen, in den Blickpunkt eines möglichst großen Publikums. Insbesondere jüngere Autoren wissen offensive Formen der Selbstinszenierung zu nutzen, um sich in Szene zu setzen. Auch die Inszenierung von Autorinnen,