Lichtträger - Der Sohn des Sehers

von: Torsten Fink

Blanvalet, 2010

ISBN: 9783641048624 , 448 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: DRM

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Preis: 8,99 EUR

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Lichtträger - Der Sohn des Sehers


 

"Kämpfe (S. 130-131)

AWIN SUCHTE SICH einen Steinkegel und setzte sich auf die windgeschützte Seite. Er fragte sich, ob die Ahnen ihm in dieser Sache beistehen würden. Eine Krähe flatterte auf und krächzte missmutig, bevor sie in der Dunkelheit verschwand. Offenbar hatte er ihren Schlaf gestört. Er fröstelte, der Südwind ließ nasskalte Luft über die Hügel ziehen, und die ging durch alle Schichten seiner Kleidung. Er wickelte den Heolin wieder sorgsam ein, denn er wollte nicht gesehen und schon gar nicht gestört werden. Unter ihm lag das Lager.

Er beobachtete, wie sich der Kreis der Beratung nach und nach leerte. Er wusste nicht, was er tun sollte. Harmins Angebot hatte ihn völlig überrumpelt. Es kam natürlich gar nicht in Frage, dass er es annahm. Er konnte den Schmied sogar verstehen: Es gab keinen Seher im Fuchs-Klan, er wäre also willkommen. Wie vorteilhaft, wenn er auch noch den berühmten Lichtstein mitbringen würde. Offenbar war Harmin bereit, dafür darüber hinwegzusehen, dass Awins Sehergabe erloschen war. Der Schmied verhielt sich ganz wie ein umsichtiger Yaman, bemüht, den Wohlstand seines Klans zu mehren.

Nur, dass er gar nicht der Yaman war. Aber Auryd war weit im Süden, auf der Jagd nach dem Frevler, der dieses ganze Unglück angerichtet hatte. Awin seufzte. Er hatte Wela hart vor den Kopf gestoßen. Er würde sich entschuldigen, später, wenn er wieder einen klaren Gedanken fassen konnte. Er versuchte, die Anspannung abzuschütteln, die sich seiner bemächtigt hatte. Das Lager zu seinen Füßen schien nicht zur Ruhe zu kommen. Zahlreiche Feuer brannten zwischen den Zelten, und von einigen hörte er sogar Trommelschlag, Gesang und Gelächter. Natürlich, nicht alle Sippen hatten Verluste erlitten, und für diese war das hier nur eine große Versammlung, ein Dhanegedh, den es zu feiern galt. An den meisten Feuern ging es jedoch wesentlich ruhiger zu, und Awin meinte zu spüren, dass ein tiefes Gefühl von Trauer und Verlust darauf wartete, dass der Lärm endlich verstummte.

Drei Männer tauchten jetzt im verlassenen Kreis der Beratung auf. Einen erkannte Awin als den Seher Isgi wieder. Er fragte sich, was Horkets rechte Hand dort zu tun hatte. Er sprach mit den beiden Kriegern, schien ihnen irgendetwas einzuschärfen, dann schickte er sie fort. Sie verließen den Kreis, und Awin verlor sie zwischen den Zelten aus den Augen. Er musste einen Weg finden, sich Gehör zu verschaffen. Der Heredhan wollte offensichtlich gar nicht hören, was er zu sagen hatte. Wusste er etwa, dass Awin ihn zur Jagd auf Slahan auffordern wollte? Hatte Isgi das gesehen? Oder war sein Plan von anderen verraten worden? Schritte näherten sich aus der Dunkelheit. Sie hielten zielstrebig auf Awin zu. Es waren die Schritte eines einzelnen Mannes. Der Himmel war wolkenverhangen, und hier, weitab vom nächsten Wachfeuer, konnte Awin nicht mehr als einen Schatten erkennen.

»Bist du der junge Seher, den man Awin nennt?«, fragte der Schatten. »Wer fragt danach?«, antwortete Awin vorsichtig.Der andere lachte. »Ich erkenne deine Stimme wieder, junger Seher. Isgi schickt mich. Er will mit dir reden.« Awin erhob sich. »Wie hast du mich gefunden, Krieger?« »Du warst nirgendwo zu sehen, Hakul, also musste ich dich nur noch dort suchen, wo man dich nicht sehen konnte«, lautete die Antwort. »Und was will Isgi von mir?«"