Kopfschmerzen

von: Claus Bischoff, Harald C. Traue

Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, 2004

ISBN: 9783840916236 , 127 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: DRM

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Preis: 17,99 EUR

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Kopfschmerzen


 

3 Diagnostische Verfahren und Dokumentationshilfen (S. 38-39)

Kopfschmerzpatienten gelten im Hinblick auf psychologische Diagnosen und Behandlungen als schwierig in der Interaktion, weil sie oftmals für psychosomatische Zusammenhänge wenig aufgeschlossen sind. Ursächlich sind dafür meistens langjährige organisch orientierte Diagnosen und medikamentöse Therapieversuche bei Hausärzten und Fachärzten; übrigens meist ganz im Sinne des Patienten, der – wie wir alle – dazu neigt, bei körperlichen Symptomen nach körperlichen Ursachen zu suchen und eine somatisch basierte Behandlung zu erwarten. Wenn die Kopfschmerzen jedoch nicht nachlassen, kommt es nicht selten zum frustrierten Abbruch der therapeutischen Beziehung oder der Arzt führt die Möglichkeit ins Feld, dass der Schmerz psychisch bedingt ist. Wenn Patienten und wir als Schmerzpsychotherapeuten in dieser Ausgangssituation das erste Mal aufeinander treffen, befinden sich beide Parteien in der Defensive: der Patient, weil er uns unterstellt, dass wir ihm die Schmerzen nicht abnehmen und glauben, er sei seelisch gestört; und wir als Psychotherapeuten, weil wir uns gedrängt sehen, psychologische Ätiologieannahmen zu rechtfertigen. Wenn die Kasse oder der Rentenversicherer eine Rehabilitationsmaßnahme in einer psychosomatischen Rehabilitationsklinik veranlasst, notfalls auch gegen den erklärten Willen des Patienten – dann haben wir den worst case, in dem eine psychologische Schmerztherapie ihren Ausgang nehmen soll.

Von Anfang an ist deshalb ein Vorgehen wichtig, bei welchem dem Patienten möglichst frühzeitig ein ganzheitlicher verhaltensmedizinischer Ansatz nahe gebracht wird, bei dem parallel und interdisziplinär nach möglichen körperlichen und möglichen psychosozialen Faktoren der Schmerzauslösung und -verursachung geforscht wird und das Behandlungsangebot sich individuell an der Bedeutung ausrichtet, die diesen Faktoren im Einzelnen zukommen. Verwirklicht wird ein solcher verhaltensmedizinischer Ansatz am ehesten in Schmerzambulanzen und in psychosomatischen Fachkliniken.

Das erste Ziel der Schmerzdiagnostik ist die angemessene Deskription eines Schmerzgeschehens und damit die Zuordnung zu einer Schmerzkrankheit im Sinne der Klassifikation der Internationalen Kopfschmerzgesellschaft (IHS).

Während aber im klassisch medizinischen Krankheitsmodell nach dieser Zuordnung der Blick dem nun folgenden Medikamentenschema gilt, benötigt die psychologische Schmerztherapie weitergehende Information über die physikalischen und psychosozialen Auslöser und die lerntheoretischen aufrechterhaltenden Bedingungen der Schmerzstörung. Der psychologische Schmerztherapeut muss erfahren, wie die Schmerzen verarbeitet werden und wie der Patient mit Belastungen umgeht. Es ist notwendig zu erfahren, wie der Patient bislang seine Schmerzen behandelt hat und welche Erwartungen er diesbezüglich an die Therapie stellt. Eine ergänzende Anamnese über Familie und Partnerschaft, das soziale Netzwerk um den Patienten und seine berufliche Situation ermöglicht dem TherapeutenWechselwirkungen zwischen der Lebenssituation, Auslösung und Aufrechterhaltung aufzuspüren. Wo die medizinische Diagnostik aufhört, beginnt also die psychologische Diagnostik, mit deren Hilfe ein Therapieplan erstellt werden kann.Wesentlich ist hierbei, dass der diagnostische Prozess mit dem Aufbau einer therapeutischen Beziehung einhergeht und die diagnostischen Schritte nicht vollständig vor dem Einleiten der Therapie abgeschlossen sein müssen, sondern sich teilweise aus dem Verlauf der Therapie ergeben.

Die diagnostischen Verfahren lassen sich grob in störungsspezifische und -unspezifische Verfahren gliedern. Die störungsspezifischen diagnostischen Methoden gliedern sich in die schmerzbezogenen Themen der Anamnese, psychometrische Schmerzskalen und Checklisten, Schmerztagebücher, Leitfäden und psychophysiologische und physiodiagnostische Messungen. Spezifisch für Kopfschmerzen, die auf psychiatrische Störungen zurückzuführen sind, und relevant als ergänzende diagnostische Instrumente wären diagnostische Zuordnungen nach ICD-10, DSM-IV, Persönlichkeitstests und andere klinische Skalen zu nennen, die zum Verständnis der Ätiologie, der Aufrechterhaltung und für die Therapieindikation benötigt werden. Anstelle einer vollständigen Darstellung (siehe dazu z. B. Basler et al., 1999) sollen hier die wichtigsten diagnostischen Verfahren dargestellt werden.