Zwischen Menschenrechten und Konfliktprävention - Der Minderheitenschutz im Rahmen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE)

von: Christiane Höhn

Springer-Verlag, 2010

ISBN: 9783540376262 , 420 Seiten

Format: PDF

Kopierschutz: DRM

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Preis: 66,99 EUR

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Zwischen Menschenrechten und Konfliktprävention - Der Minderheitenschutz im Rahmen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE)


 

"E. Wirkung und Durchsetzung der OSZENormen im innerstaatlichen Recht (p. 273-274)

I. Ausgestaltung des politischen Systems, Gesetzgebung, Auslegung von Gesetzen

Die Teilnehmerstaaten sind durch die OSZE-Schutznormen politisch verpflichtet, ihr politisches System demokratisch und rechtsstaatlich auszugestalten und für eine Gesetzgebung und ihre Durchsetzung zu sorgen, die dem OSZE-Minderheitenschutz entspricht. Außerdem bestehen Pflichten im Rahmen der Außenpolitik, nämlich der konstruktiven Zusammenarbeit im Bereich des Minderheitenschutzes, der Erfüllung ihrer bestehenden völkerrechtlichen Verpflichtungen und der Prüfung des Beitritts zu weiteren für den Minderheitenschutz relevanten Verträgen und Durchsetzungsmechanismen.

Die OSZE-Normen bieten eine Vorgabe für die innerstaatliche Gesetzgebung zum Minderheitenschutz . Gerade für die jungen Demokratien in Mittel- und Osteuropa ist diese Orientierung nicht zu unterschätzen. Anwendbar ist im Falle der Umsetzung allerdings das innerstaatliche Recht und nicht die OSZE-Normen. Die Minderheitenschutznormen spielen eine Rolle bei der Auslegung der innerstaatlichen Gesetze, vor allem dem Verfassungs- und Verwaltungsrecht . Dies gilt sowohl für die allgemeinen Menschenrechte und Grundfreiheiten als auch für spezielle, die Minderheiten betreffende innerstaatliche Regelungen.

Wie bei völkerrechtlichen Verträgen auch können die OSZE-Normen nur innerhalb der gesetzlich möglichen Auslegung wirken, nicht darüber hinaus. Das heißt, eine mit dem Wortlaut des Gesetzes unvereinbare Auslegung kann nicht getroffen werden. Auch können staatliche Schutz- und Fördermaßnahmen nur dann verlangt werden, wenn ein allgemeiner gesetzlicher Rahmen dafür besteht. Die Transformationsregeln für Völkerrecht in innerstaatliches Recht gelten für die OSZE-Normen nicht, was einen der entscheidenden Unterschiede zum Völkerrecht darstellt . Die OSZE-Regelungen können zur Auslegung von Ermessensnormen und unbestimmten Rechtsbegriffen herangezogen werden, was zu einer Ermessensreduzierung führen kann .

Die Bedeutung der Berücksichtigung der OSZE-Minderheitenschutznormen für Angehörige nationaler Minderheiten liegt, ähnlich wie oben für den Fall der EMRK aufgezeigt, in der Möglichkeit, bestimmte minderheitenfeindliche Auslegungen und Argumente des Staates zu widerlegen und deren Unzulässigkeit zu erreichen, vorausgesetzt die Minderheitenangehörigen handeln in dem Rahmen, der durch die OSZE-Schutznormen vorgegeben wird.

Fraglich ist, ob es sich bei den OSZE-Minderheitenschutznormen um eine bloße Auslegungshilfe handelt oder um grundsätzlich bindende Auslegungsvorgaben wie bei völkerrechtlichen Verträgen, deren Vertragsparteien ausschließlich OSZE-Staaten sind. Die zwischenstaatliche Bindung resultiert aus dem Gutglaubensgrundsatz im Völkerrecht, während im Unterschied dazu die Verpflichtung des Staates gegenüber seinen Bürgern ihren Ursprung im innerstaatlichen Recht hat. Auch sind die Bürger nicht am Konsens beteiligt gewesen. Die Staaten schaffen zwar einen Vertrauenstatbestand, aber zunächst nur mittelbar gegenüber den Bürgern."