Die 'Leopoldina' - Toskanisches Strafgesetzbuch vom 30. November 1786

von: Hans Schlosser

Walter de Gruyter GmbH & Co.KG, 2010

ISBN: 9783899498400 , 166 Seiten

Format: PDF, OL

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Preis: 64,95 EUR

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Die 'Leopoldina' - Toskanisches Strafgesetzbuch vom 30. November 1786


 

II. Das Profil des Gesetzes (S. 17-18)
1. Aufbau und Systematik
System und Aufbau der „Leopoldina“ brechen mit dem Typus der Strafgesetze des Ancien Régime. Dies zeigt sich vornehmlich im strafprozessualen Teil der „Riforma“. Sie wurde primär als ein – nach zeitgenössischem Verständnis – modernes Verfahrensgesetz konzipiert, in das – dem dynamischen Prozessgang folgend – das materielle Strafrecht inkorporiert ist. Das Gesetz besteht aus drei zentralen Regelungsblöcken, die voneinander substanziell deutlich getrennt sind.

Der erste, den Strafprozess einleitende, „inquisitorische“ Teil beginnt mit Vorschriften zur Strafklage. Das Gesetz erlaubt nur zwei Formen: die Klage der verletzten Partei und die des öffentlichen Anklägers („querelante pubblico“). In beiden Fällen hat die anschließende Aufklärung des Sachverhalts durch einen „minstro processante“ und „ex officio“ zu erfolgen. Davon ausgenommen sind lediglich Bagatell- oder Privatklagesachen. Sie bringt der Verletzte zur Anklage. Das Verfahren selbst steht weitgehend unter der Herrschaft der Dispositionsmaxime eines Zivilprozesses.

Daran anschließend regelt das Gesetz Rechtshandlungen, die der Vorbereitung des eigentlichen Beweisverfahrens dienen. Auf Vorschriften zu den Haft- und Vorführungsbefehlen folgen Regelungen zur Prozessbeschleunigung und zum Vorbringen von Einreden gegen die Unzuständigkeit des angegangenen Gerichts. Eingehend festgelegt werden die Voraussetzungen der Säumnis („Kontumaz“) und ihre Rechtsfolgen. Der erste Teil schließt mit nur bedingt sachlich streng miteinander verbundenen Anordnungen zur Unzulässigkeit der Vermögenskonfiskation, zur Entschädigung bei Justizirrtümern, zur Pflichtverteidigung, zu den Verboten der Ablösung der verwirkten Strafen durch Geld sowie zur Unzulässigkeit geheimer oder fiskalischer Rechtsakte im ordentlichen Strafprozess.

Der zweite, dem materiellrechtlichen Strafrecht vorbehaltene Teil ist nur nach modernem Verständnis unvollständig und einem Torso ähnlich. Tatsächlich ist er das Ergebnis einer rationalen Gliederungssystematik, die streng dem realen Verfahrensablauf folgt.

An erster Stelle stehen die Religionsdelikte. Es folgen die sog. Staatsverbrechen mit ausdrücklicher, programmatischer Ächtung des Majestätsverbrechens sowie die Delikte gegen das Leben und die körperliche Unversehrtheit, Vermögensdelikte, gemeingefährliche Straftaten (Brandstiftung), Fälschungsdelikte und Delikte gegen die sexuelle Selbstbestimmung.

Die zweite Normengruppe ergänzt in gewisser Weise das materielle Strafrecht. Dieses endet mit den Rechtsfolgen bei Gefängnisausbruch und Gefangenenbefreiung von Inhaftierten sowie mit Übertretungen polizeirechtlicher Rechtsnatur. Ihnen werden verbotene Handelsgeschäfte, Verstöße gegen staatliche Monopole (Schmuggel von Salz und Tabak) sowie Straftaten gegen die öffentliche Ordnung, wie etwa Störungshandlungen bei Begräbnissen, Hochzeiten, Spielen, Besuchen von Gasthäusern oder Weinschänken zugeordnet.

Der dritte, den Strafprozess ergänzende und beendende Schlussteil enthält Vorschriften über die außerordentliche Strafe als „absolutio ab instantia“ oder „Verdachtsstrafe“, über die staatliche Entschädigungspflicht wegen unrechtmäßiger Strafverfolgung, über die Unverzichtbarkeit auf Strafe und über das fürstliche Supplikenrecht. Einbezogen werden Verjährungsvorschriften, deren Regelungsort nach moderner Systematik der Allgemeine Teil ist. Es fehlen jedoch grundsätzliche Vorschriften zur förmlichen Prozessbeendigung durch Urteil.