Schmerzspuren

von: Birgit Schlieper

cbt Jugendbücher, 2010

ISBN: 9783641043926 , 160 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: DRM

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Preis: 5,99 EUR

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Schmerzspuren


 

(S. 32-33)

2.47 Uhr und ich kann nicht mehr einschlafen. Ich kann noch nicht mal mehr liegen. Hol mir ein Glas Wasser, guck leise, ob im Fernsehen noch was läuft. Nur fiese Werbeclips mit einprägsamen Telefonnummern. Ich mach mir ein Brot und lande an meinem Schreibtisch. Vielleicht sollte ich doch mal Philipp schreiben. Ist ja albern so. Ich bin schließlich kein beleidigtes Mädchen. Also fange ich an mit »Hallo Phil«. Das war sein Spitzname.

Zusammen waren wir Phil Collins. Er »Phil« wegen des Namens und ich »Collins«, weil ich ja Schlagzeug spiele. Stundenlang haben wir uns Videos von den Konzerten angeguckt und mitgesungen. Ganz früher haben wir Plastikschüsseln von meiner Mutter um uns rum aufgebaut und wie wild drauf getrommelt. Und natürlich gegrölt. Bei dem Song »Mama« ist tatsächlich mal meine Mutter reingekommen. Völlig atemlos. »Was ist denn?«, hat sie geschrien. Ich hätte mir echt fast in die Hose gemacht vor Lachen. War kurz davor, eine der Schüsseln umzudrehen, um reinzupinkeln.

Das wäre mir vor Philipp nicht mal peinlich gewesen. Als er damals in der Grundschule plötzlich neben mir saß, fand ich ihn super schnarchig. Er hatte immer komische und extrem uncoole Klamotten an und war in den Pausen nie mit auf dem Bolzplatz. Dem konnte der Ball vor die Füße fallen, der wäre überhaupt nicht auf die Idee gekommen, ihn zurückzuschießen. Aus irgendeinem doofen Grund musste ich ausgerechnet mit ihm zusammen in der Ferienaktion eine Stadtrallye machen. Weil ich ein bisschen zu spät gekommen war, stand nur noch Philipp ohne Partner da. Mir war klar, dass ich mit diesem Langweiler niemals punkten würde. Und ich war kurz davor, ein Mädchen zu fragen, ob es mit mir ein Team bilden wollte.

Aber das war mir auch zu blöd. Ich weiß noch, was Philipp und ich für einen Spaß auf dieser albernen Rallye hatten. Philipp war total witzig. Und von dem Tag an mein bester Freund. Bis vor ein paar Wochen. Da hat er sich verpisst. Tschüssikowski. Ich nehme einen Edding, streiche »Hallo Phil« fett durch und greife nach meinem Mathebuch. Das ist mit Sicherheit sinnvoller. Meine Augen lesen und meine Hände spielen mit dem Zirkel. Die Spitze pikst in meinen Handballen.

Ich drücke ein bisschen tiefer. Noch ein bisschen tiefer. Als ich die Spitze langsam rausziehe, löst sich irgendwas. In mir wird es stumm. Fühle mich wie ein Fahrradschlauch, der zu prall aufgeblasen war und jetzt ein bisschen entspannt. Mit einem alten T-Shirt um die Hand schlafe ich ein.  ,Ich geh früh zur Schule. Will unbedingt Tom und Benny vorher sprechen.

Beide stehen am Fahrradständer. »Tut mir leid. War kacke von mir gestern. Ich war irgendwie schräg drauf. Natürlich finde ich den Raum auch nicht so prall. Aber wir können es doch erst mal versuchen. Wenn es zu fies ist, ziehen wir wieder in unseren Keller, okay?« Die beiden nicken. Komischerweise gucken sie mich nicht an.