Letzter Törn nach Spiekeroog - Roman

von: Theodor J. Reisdorf

Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, 2009

ISBN: 9783838700908 , 448 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: DRM

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Preis: 5,99 EUR

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Letzter Törn nach Spiekeroog - Roman


 

Björn und Irina verließen im Strom der aufgeräumten Tagesgäste und Urlauber das Fährschiff.

»Schön ist hier, frohe Menschen, Sonne wie zu Hause, wenn Sommer ist. Nicht streiten mit Papa, hat bezahlt viele Jahre für Studium. Arme Mama, muss vergessen, hat geliebt Papa, jetzt junge Frau, kann nicht ändern. Schlimm, wenn Hass und Rache«, sagte Irina. Ihr Gesicht wirkte blass.

»Es wäre vielleicht besser gewesen, wir hätten uns auf Papas Einladung nicht eingelassen«, meinte Björn.

»Muss helfen Mama«, sagte Irina nachdenklich. Sie folgten dem Richelweg bis zum Süderloog und erreichten über Ostend den Friederikenweg. »Nun hier und froh, wenn morgen zurück«, sagte Irina.

»Papa kennt keine Skrupel. Er verfolgt eiskalt seine Ziele«, gab Björn ärgerlich von sich. Der Gedanke an den Abend stresste ihn. Es gab genügend Gründe, den Alten zu hassen, der mit Sicherheit nichts anderes im Schilde führte, als ihn und die Mama mit Vorwürfen zu überhäufen.

Spaziergänger begegneten ihnen. Eltern zogen Polderwagen, in denen die Kleinen saßen. Die Luft roch nach Salz und Meer. Der Wind strich ihnen entgegen. Sie vernahmen das Rauschen der Wellen vom nicht weit entfernten Strand.

»Wir sind da«, sagte Björn, wies mit der Hand auf das elegante, rot geklinkerte Apartmenthaus. Irina atmete erleichtert auf.

»Ist schönes Haus, für Leute haben Geld«, sagte sie schelmisch, als hätte sie all das vergessen, was sie bedrückte.

»Das Haus auf der Düne gehört unserem Bundespräsidenten«, sagte Björn stolz.

»Wohnen hier?«, fragte Irina beeindruckt.

»Sein Amt lässt ihm wenig Zeit. Er ist ein bescheidener, freundlicher und liebenswerter Nachbar«, antwortete Björn. Sie näherten sich dem mit roten Steinen gepflasterten Vorhof, der vom sandigen Dünenfuß mit einem kleinen Ziegelmäuerchen abgetrennt war. In einem Eisenständer standen Hollandräder.

Björn zog den Haustürschlüssel aus der Manteltasche seines saloppen Trenchcoats, hob für Sekunden die Elbseglermütze vom kurzen Haar und atmete tief durch.

»Nicht gut! Klingeln, Mama Zeit für Spiegel, wenn geweint«, sagte Irina einfühlsam.

Björn nickte. Er drückte die Taste der Haustürglocke. Sie standen im Windschatten in der wärmenden Sonne.

»Ja, bitte?«, vernahmen Sie die Stimme der Mama.

Björn neigte sich vor. »Deine Glückskinder«, sprach er in das Mikrofon.

»Schön, dass ihr da seid, bevor der Satan kommt«, klang es ihnen blechern entgegen. Das Türschloss klickte.

Sie betraten den Flur, stiegen über die Stufen der Terrazzotreppe nach oben.

Mama stand vor der Apartmenttür und blickte freudig auf. Sie trug ihren Troyer und Jeans.

»Schön von euch, dass ihr mich nicht im Regen stehen lasst. Zu meiner Hochzeit mit Papa waren viele gekommen, für die Trennung von ihm seid ihr die einzigen Gäste«, sagte sie mit bitterer Miene.

Björn näherte sich der Mama, stellte die Tasche ab und gab ihr einen Kuss.

»Mama, das ist Schicksal. Hättest du Papa nicht geliebt, gäbe es mich nicht, und Irina könnte von mir keine Kinder erwarten«, sagte er scherzhaft.

Irina vergoss unpassend ein paar Tränen, ließ die Tasche stehen, ging zur Mama und drückte sie an sich.

»Bin hier, möchte sein in Hamburg. Angst wenn streiten«, sagte sie.

»Liebe Irina, Papa hat mich bereits verlassen. Mein Hass hält sich in Grenzen«, sagte sie gefasst, wie es schien.

»Papa hat uns eingeladen«, sagte Björn.

»Ich weiß, weder zu einer Familienfeier noch zu einer Abschiedsfeier. Er bietet mir die Gelegenheit, ihn aus seinen ehelichen Pflichten zu entlassen, die er seit langem nicht mehr wahrgenommen hat«, sagte sie ironisch.

»Mama, mich würde es nicht wundern, wenn er die Neue an Bord hat, ihr nach seinem Besuch ein Küsschen gibt und sie sich mit Sekt zuprosten«, sagte Björn bitter.

»Da wird es nichts zu feiern geben«, sagte die Mama und blickte böse auf. »Ich habe für euch das Schlafzimmer hergerichtet. Ich werde die Nacht im Gästezimmer verbringen. Wir werden ihm den Garaus machen. Richtet euch ein. Ich brühe einen Tee auf.«

Irina und Björn nahmen ihre Taschen und gingen zum Schlafzimmer. Inga von Butendorf suchte die Küche auf, füllte den Wasserkocher, deckte den Terrassentisch, trug das Stövchen, den Kluntjebecher und das Sahnetöpfchen an den Tisch, richtete den Sonnenschirm und kämpfte verbissen mit ihrer Nervosität. Sie bereitete den Tee zu.

Inga und Björn betraten die Terrasse und nahmen am Tisch Platz.

»Schön ist Blick, schade dass Ärger und Streit«, sagte Irina.

»Papa ist uns schon eine Erklärung schuldig. Wir beabsichtigen nicht, ihn umzubringen«, sagte die Mama, grinste verächtlich, schenkte den Tee aus und servierte den Kuchen.

»Butterkuchen, er gehört zur Tradition in Ostfriesland«, sagte Björn und grub die Gabel in das lockere Gebäck.

»Bei Hochzeiten, Jubiläen, Kindtaufen, Beerdigungen und bei Trennungen von einst glücklichen Ehepartnern«, fügte die Mama hinzu und rümpfte die Nase. Sie tranken Tee und verzehrten den Kuchen, während sich die Sonne bereits dem Meer zuneigte.

***

Harald von Butendorf strich die Segel, bediente das Ruder. Die Opal II lief mit abnehmender Fahrt den Stegen entgegen. Überrascht bemerkte er, dass an seinem Liegeplatz ein Segler sein Schiff vertäut hatte. Ihm stieg das Blut in den Kopf. Er war verbiestert. »Idiot! Ich zahle!«, schimpfte er aufgebracht. Sein Blick glitt über die Stege. An der gesamten Ostseite gab es keinen freien Anlegeplatz. Er kochte vor Wut, startete den Motor, zog eine Schleife, lenkte die Opal II zur Westseite, fand im oberen Bereich einen freien Liegeplatz, legte an und machte fest. Er trat an den Mast, verstaute die Segel in die Persennings, schaute sich kontrollierend um, betrat die Plicht und stieg unter Deck.

Er griff zum Handy und wählte verärgert die ihm vertraute Nummer des Hafenmeisters. Dann betrat er die Koje und bereitete sich auf das Scheißfamilientreffen vor. Er trug den Troyer, Jeans und Segelschuhe. Er schob einen Schreibblock, Zigaretten, ein Feuerzeug und einen Kugelschreiber in die Leinentasche, hängte sie über seine Schulter, nahm die Stiege zur Plicht und zog die Rolltür in das Schloss. Er atmete tief durch, verließ die Jacht über den Bug und betrat den Steg.

Auf dem gekräuselten Wasser spiegelte sich das Licht der Spätnachmittagssonne. In das gluckernde Plätschern der Schwappwellen klang das Tickern der Stahltrossen, die im aufgebristen Wind gegen die Masten der Schiffe schlugen. Er schmeckte das Salz auf den Lippen. Für Sekunden dachte er an Beate. Ihr verdankte er seine zurückgewonnene Vitalität und Lebensfreude, die ihn seine Jahre vergessen ließen. Ihn ergriff das Gefühl einer wiedergewonnenen Freiheit, und er vergaß seinen Ärger. Er schritt über die Stege und nahm sich vor, nach dem Gespräch mit Inga und seinem Sohn, bei dem er sich an klaren Fakten zu orientieren gedachte, im Vereinshaus nach dem »Flegel« Ausschau zu halten, der keck seinen Steg benutzt hatte, obwohl, wie er vom Hafenmeister erfahren hatte, es genügend Anlegeplätze für Gastsegler gab.

Von Butendorf verließ den Jachthafen, schritt in der milden Frühlingsluft über den Wüppspoor am Rosengarten vorbei, kehrte am Süderloog im »Alten Inselhaus« ein und stärkte sich dort mit einer Räucherscholle und Kartoffelsalat. Anschließend trank er einen Kaffee, rauchte eine Zigarette, überdachte seine Strategie und machte sich auf den Weg zum Apartment am Friederikenweg.

Ihn bewegten keine Schuldgefühle. Warum auch? Inga war ihm zum Anhängsel geworden, zu einem Klotz am Bein. Beate förderte seine Kreativität und seinen Unternehmungsdrang und versüßte ihm mit ihrem herben Charme und ihrem jungen Körper das sich nähernde Alter. Auch Björn stand ihm im Weg. Nichts gegen seine hübsche russische Gespielin. Der Bengel hatte ihn viel Geld gekostet. Es würde ihm gut zu Gesicht stehen, sich nach einem Job umzusehen. Da gab es viel zu lernen im starken Wind der freien Marktwirtschaft.

Harald von Butendorf näherte sich der Haustür, steckte den Schlüssel in das Schloss, öffnete die Tür, betrat das Treppenhaus und stieg über die Stufen nach oben zum Apartment. Er drückte die Klingel. Björn öffnete die Tür. Er blickte ihn geringschätzig an.

»Wir sind gespannt auf deinen Auftritt und auf das, was du uns nach deiner miesen Tour mitzuteilen beabsichtigst«, sagte Björn kalt und hielt die Tür offen.

»Ich hoffe, ich kann mich kurz fassen. Mir liegt daran, den Abend an Bord meiner Opal II zu verbringen. Doch was ich zu sagen habe, das betrifft auch deine Zukunft«, sagte von Butendorf und fuhr sich mit der Hand durch die schlohweiße Mähne. Er machte eine gute Figur im Seglerlook.

»Mama erwartet dich. Irina und ich sind die einzigen Gäste eurer letzten Begegnung, bevor Juristen sich eurer einst glücklichen Ehe annehmen«, sagte Björn und blickte den Papa abwertend an. Er zog die Wohnungstür hart ins Schloss. Von Butendorf folgte ihm in das Wohnzimmer, Mama und Irina saßen am Tisch, den eine frische blaue Tischdecke zierte. Sie blickten ihm erwartungsvoll entgegen.

»Bitte«, sagte Björn kalt und zeigte auf einen Sessel. Von Butendorf nahm Platz und legte seine Umhängetasche auf den Tisch.

»Es ist kein Geheimnis mehr. Ich möchte die Scheidung, um meine Mitarbeiterin Beate Bätes zu heiraten. Ich sehe es als meine Pflicht an, euch diesen unwiderruflichen...