Das Buch der Schatten - Böse Mächte

von: Cate Tiernan

cbt Jugendbücher, 2012

ISBN: 9783641081607 , 256 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: DRM

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Preis: 6,99 EUR

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Das Buch der Schatten - Böse Mächte


 

1

Kithik

Beltane 1962, San Francisco

Ich bin heute meiner Zukunft begegnet und ich tanze auf Sonnenlicht! Catspaw hat heute Morgen im Park in der Innenstadt Beltane gefeiert, und dabei haben wir in aller Öffentlichkeit wunderbare Magie gewirkt, während die Menschen zugesehen haben. Die Sonne schien, wir haben Blumen im Haar getragen und unsere Bänder um den Maibaum geflochten, Musik gemacht und eine Energie heraufbeschworen, die alles mit Licht erfüllt hat. Wir haben Holunderblütenwein getrunken und alles war frei und schön. Die Göttin war in mir und hat mich mit ihrer Lebenskraft durchdrungen, bis ich Respekt vor meiner eigenen magischen Kraft bekam.

Da wusste ich, dass ich bereit war, mit einem Mann zusammen zu sein – ich bin siebzehn und eine Frau. Und kaum war mir der Gedanke gekommen, schaute ich auf und blickte ihm in die Augen. Stella Laban hat ihm einen Pappbecher Wein gereicht, und er hat ihn genommen und getrunken, und wie ich so seine Lippen betrachtete, bekam ich weiche Knie.

Stella hat uns einander vorgestellt. Er heißt Patrick und stammt aus Seattle und sein Hexenzirkel heißt Waterwind. Er ist also ein Woodbane, wie ich, wie wir alle in Catspaw.

Ich konnte den Blick nicht von ihm lösen. Mir fiel auf, dass sein kastanienbraunes Haar mit Grau durchsetzt war, und er hatte Lachfältchen um die Augen. Er war älter, als ich gedacht hatte, viel älter, womöglich sogar schon fünfzig.

Dann lächelte er mich an, und ich spürte, wie mein Herz aufhörte zu schlagen. In dem Moment packte jemand Stella um die Taille und sie tanzte lachend davon. Patrick streckte die Hand aus, und ohne lange zu überlegen, legte ich meine Hand in die seine und er führte mich von der Gruppe fort. Wir haben uns auf einen Felsblock gesetzt, wo die Sonne warm auf meine nackten Schultern schien, und haben uns ewig unterhalten. Als er aufgestanden ist, bin ich ihm zu seinem Auto gefolgt.

Jetzt sind wir in seinem Haus und er schläft und ich bin unendlich glücklich. Wenn er aufwacht, werde ich zwei Sachen zu ihm sagen: Ich liebe dich. Bring mir alles bei.

SB

Ich war schon einmal bei Sharon zu Hause gewesen, zusammen mit Bree – damals, als Bree und ich noch beste Freundinnen waren. Unser Hexenzirkel Cirrus traf sich heute bei ihr, um das samstägliche Kreisritual abzuhalten. Ich war neugierig, wie es heute sein würde. Jeder Ort war anders, hatte seine eigene Atmosphäre, und jedes Kreisritual war anders.

»Hübsche Bude«, meinte Robbie, mein anderer bester Freund aus Kindertagen, und betrachtete mit zusammengekniffenen Augen die Gartenbeleuchtung, die akkurat geschnittenen Sträucher mit ihren Schneemützen und die weißgetünchten Backsteinmauern des Hauses im Kolonialstil. Allein die Gartengestaltung hatte wahrscheinlich mehr gekostet, als mein Vater in einem Jahr bei IBM verdiente. Sharons Vater war Kieferorthopäde mit einer langen Liste berühmter Patienten. Es ging das Gerücht, er hätte gerade Justin Timberlake die Zähne gerichtet.

»Stimmt.« Ich schob die Hände in die Taschen und ging den Weg zum Haus hoch. Robbie hatte mich in seinem roten Beetle mitgenommen, und an der breiten Straße parkten noch mehr Autos, die ich erkannte. Die von Jenna und Matt, der natürlich mit seinem eigenen Wagen gekommen war, denn er und Jenna hatten sich kürzlich getrennt. Ethans Auto stand ebenfalls dort und auch Hunters erkannte ich. Ich zitterte in meinem Mantel – eine Mischung aus Aufregung und Furcht. In der Nähe parkten noch mehr Autos, doch die konnte ich nicht zuordnen, und ich ging davon aus, dass in der Nachbarschaft irgendwo eine Party gefeiert wurde.

Auf der Veranda hielt Robbie mich auf, als ich gerade läuten wollte. Ich sah ihn fragend an.

»Alles klar bei dir?«, fragte er leise und mit einem Schatten über seinen graublauen Augen.

Ich machte den Mund auf, um entrüstet »klar« zu antworten, doch dann klappte ich ihn wieder zu. Ich kannte Robbie zu lange und hatte zu viel mit ihm erlebt, um ihn mit Lügen abzuwimmeln. Er war einer der Ersten gewesen, denen ich erzählt hatte, dass ich eine Bluthexe war, dass ich adoptiert und eine Woodbane war. Von den sieben großen Clans von Wicca waren die Woodbanes die, die um jeden Preis Macht erringen wollten und sich dafür schwarzer Magie bedienten. Als ich erfahren hatte, dass ich eine Bluthexe war, hatte ich nicht gewusst, von welchem Clan ich abstammte. Damals hatte ich gehofft, ich wäre eine Rowanwand, eine Wyndenkell, eine Brigthendale oder eine Burnhide. Selbst eine schelmische Leapvaughn oder eine kriegerische Vikroth wäre gut gewesen. Aber nein, ich war eine Woodbane – mit dem Bösen behaftet.

Vor drei Wochen hatten Robbie und Bree mir das Leben gerettet, als Cal, der Typ, in den ich verliebt war, versucht hatte, mich umzubringen. Und Robbie hatte mir mit seiner Freundschaft geholfen und mir die Kraft gegeben, weiter nach der Wahrheit über meine leiblichen Eltern zu suchen. Er kannte mich gut und wusste, dass ich im Augenblick ziemlich dünnhäutig war.

Deshalb sagte ich nur: »Also, ich hoffe, das Kreisritual hilft mir.«

Er nickte zufrieden und ich drückte auf die Klingel.

»Hi!«, sagte Sharon, als sie die Tür weit öffnete und uns hereinbat – ganz die perfekte Gastgeberin. Mein Blick fiel auf Jenna und Ethan, die hinter ihr standen und sich unterhielten. »Legt eure Jacken ins Wohnzimmer. Ich habe im Kinozimmer Platz für uns gemacht. Hunter hat gesagt, heute Abend könnte es eng werden, und er hatte recht.« Sie zeigte auf eine Tür am hinteren Ende des großen Wohnzimmers. Ihr dünnes dunkles Haar wirbelte ihr um die Schultern, als sie sich umdrehte, um eine Frage von Jenna zu beantworten, und ihre goldenen Armreifen klimperten.

Ich überlegte, wie klein der Raum sein musste, wenn es für die sieben Mitglieder von Cirrus eng wurde, da fing Robbie meinen Blick auf. »Kinozimmer?«, formulierte er stumm mit den Lippen und zog seinen Mantel aus. Ich musste unwillkürlich lächeln.

Dann spürte ich ein Kribbeln im Nacken, und da ich wusste, was es bedeutete, drehte ich mich um und sah Hunter entschlossen auf mich zusteuern. Der übrige Raum verblasste und plötzlich dröhnte mein Herzschlag laut in meinen Ohren. Nur am Rande bekam ich mit, dass Robbie sich abwandte, um jemanden zu begrüßen.

»Du gehst mir aus dem Weg«, sagte Hunter leise mit seinem englischen Akzent.

»Ja«, gestand ich und blickte in seine meergrünen Augen. Er hatte mindestens zweimal bei mir zu Hause angerufen, seit wir uns das letzte Mal gesehen hatten, aber ich hatte ihn nicht zurückgerufen.

Er lehnte sich mit dem Rücken an den Türrahmen. Ich war ein Meter achtundsechzig und Hunter war etwa zwanzig Zentimeter größer als ich. Es waren ein paar Tage vergangen, seit ich ihn das letzte Mal gesehen hatte. Da war ich Zeugin geworden, wie er in Ausübung seines Berufes einen Freund von mir, David Redstone, seiner magischen Kräfte beraubt hatte. Als Sucher und Mitglied des Internationalen Rats der Hexen war Hunter dazu gezwungen gewesen, damit David nie wieder Magie wirken konnte, egal zu welchem Zweck. Es war, als hätte ich zugesehen, wie jemand gefoltert wurde, und die Bilder verfolgten mich seither in meinen Träumen.

Doch das war nicht alles. Hunter und ich hatten uns an dem Abend vor dem Ritus geküsst, und ich hatte ein Verlangen nach ihm empfunden, das mich erstaunt und verstört hatte. Dann, nach dem Ritual, hatte Hunter mir einen mit einem magischen Spruch belegten Kristall gegeben, in den er durch die reine Macht seiner Gefühle mein Bild projiziert hatte. Wir wussten beide, dass da etwas war zwischen uns, etwas, was womöglich unglaublich mächtig war, doch wir hatten es noch nicht genauer erkundet. Ich wollte es und wollte es auch wieder nicht. Ich fühlte mich zwar zu ihm hingezogen, doch was er getan hatte, machte mir immer noch Angst. Und da ich meine Gefühle nicht auf die Reihe bekam, hatte ich Zuflucht zu einer bewährten Strategie genommen: Ich war ihm aus dem Weg gegangen.

»Ich bin froh, dass du heute Abend gekommen bist«, sagte er, und seine Stimme löste gleich ein wenig von meiner Anspannung. »Morgan«, fügte er hinzu und klang ungewohnt zögerlich. »Es war hart, was du mit angesehen hast. Es ist hart, an so etwas teilzuhaben. Es war das dritte Mal, dass ich es tun musste, und es wird mit jedem Mal schwerer. Doch der Rat hat es verfügt und es musste sein. Du weißt, was Stuart Afton zugestoßen ist.«

»Ja«, sagte ich leise. Stuart Afton, ein hiesiger Unternehmer, hatte sich noch nicht ganz erholt von dem Schlaganfall, den er erlitten hatte, weil David schwarze Magie gegen ihn gewirkt hatte. Zurzeit war David in Irland in einer speziellen Klinik, die von einem Brightendale-Hexenzirkel geführt wurde. Er würde sicher sehr lange dort bleiben müssen, um zu lernen, ohne Magie zu leben.

»Manche Menschen schließen sich Wicca an oder werden hineingeboren und alles läuft mehr oder weniger glatt«, fuhr Hunter fort. Ethan ging auf dem Weg ins Kinozimmer an uns vorbei, und ich hörte das Zischen, als jemand eine Coladose öffnete. Hunter senkte die Stimme, denn das hier ging nur uns beide an. »Sie studieren viele Jahre, sie wirken Magie, und es ist schlicht ein Bekenntnis des Kreislaufs, des Kreises, des Rads des Lebens.«

Im Kinozimmer erhob sich Gelächter, und ich schaute über...