Fette Vögel gehen öfter fremd - Skurrile Erkenntnisse aus der Welt der Wissenschaft

von: Gunther Müller

Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, 2012

ISBN: 9783838716091 , 222 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: DRM

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Preis: 6,99 EUR

Mehr zum Inhalt

Fette Vögel gehen öfter fremd - Skurrile Erkenntnisse aus der Welt der Wissenschaft


 

2 Die verrücktesten Fragestellungen


In diesem Kapitel sind die wohl absurdesten Fragestellungen der Wissenschaftsgeschichte versammelt. Lesen Sie hier, wie Forscher nach Versuchsplan selbst aberwitzigste Fragen zu beantworten versuchen. Hypothesen über die Abhängigkeit zwischen zwei Sachverhalten oder Ereignissen waren noch nie so unterhaltsam und skurril.

Die Studie, die zeigt, dass Bienen Gefühle bekommen, wenn man sie schüttelt


Wie fühlt es sich an, ein Insekt zu sein? Haben Insekten Gefühle? Besitzen sie zumindest Prozesse, die ein Gefühlserleben ermöglichen könnten? Steckt im festen Chitinpanzer ein weicher, ein emotionaler Kern? Wissenschaftler konnten nun nachweisen, dass Honigbienen in der Nähe der Universität von Newcastle so etwas wie Gefühle haben. Damit sind Bienen die ersten wirbellosen Tiere, bei denen man eine solche geistige Eigenschaft beobachten konnte, was bislang nur bei höher entwickelten Tierarten gelungen ist. Sind Honigbienen eigentlich Drama Queens – oder besser: Drama Bees?

Für die Forscher war es nicht leicht, derlei insektisches Innenleben zu erfassen und zu bewerten. Wie genau stellt man das subjektive Gefühlserleben eines Insektes fest? Das Kopfsegment der Biene mit den starren Facettenaugen, den Antennen und dem Mundwerkzeug gibt jedenfalls keine Auskunft – das perfekte Pokerface.

Um den Tieren Emotionen zu entlocken, griffen die Forscher auf ein trickreiches Experiment zurück, bei dem man von einer veränderten Verhaltensbereitschaft der Biene auf deren Gefühle schließt. Nur so konnte gezeigt werden, dass Bienen zu emotionalen Zuständen in der Lage sind, die man mit menschlichen Gefühlen vergleichen könnte. Zum Leid der Bienen testeten die Forscher aber nur negative Gefühlszustände, die die Tiere dazu veranlassen, Situationen nachteilig auszulegen.

Dazu mussten die Forscher die Bienen aber erst trickreich provozieren. Zunächst konditionierte man sie, indem man zwei verschiedene Geruchslösungen jeweils mit einer Belohnung oder einer Strafe verknüpfte. Dazu wurde den Testinsekten wiederholt eine süßliche Duftmischung präsentiert – eine Leckerei für Bienen. Der zweite Geruchsreiz bestand aus den gleichen Inhaltsstoffen, nur in entgegengesetzter Proportion, und wurde mit Chinin, einer für Bienen ungenießbaren Substanz, angeboten. Dadurch wurde der eine Duft von den Bienen als süßes Nahrungsmittel wahrgenommen, der andere als bitterer, ungenießbarer Stoff. Nach dieser Konditionierung reagierten die Bienen bei der ersten Mischung in Erwartung süßer Leckereien mit dem Ausfahren der Fresswerkzeuge, bei der zweiten Mischung hingegen mit klarer Abneigung.

Anschließend steckte man die Hälfte der Versuchsbienen in ein Gerät, das sie sechzig Sekunden lang wild schüttelte: Honig-Milkshake ohne Milch und Honig, aber mit Biene. Den verwendeten Apparat benutzen Forscher normalerweise, um Chemikalien zu mischen. In diesem Fall aber imitierte man so einen Raubtierangriff auf den Bienenstock. Ganz klar, das macht keine Biene happy. Nach dieser Schüttelattacke sehen die Tierchen die Welt eher in einem düsteren Licht. Das Geschüttel macht Bienen nämlich pessimistisch.

Nun konnten die Forscher mithilfe eines dritten Reizes die Gefühlswelt ergründen. Dazu wurden beide Gruppen, die geschüttelten und die ungeschüttelten Bienen, mit fünf abgestuften Mischungen der oben beschriebenen Düfte getestet. So ergab sich ein Duftkontinuum zwischen eindeutigen bis weniger eindeutigen süßen und abschreckenden Düften. Der dritte Reiz bestand also aus verschiedenen Mischungen beider Düfte. Damit war für die Bienen jeweils unklar, ob es sich wirklich um ein süßes oder bitteres Nahrungsmittel handelte.

Die durchgeschüttelten Bienen reagierten nach dem Schütteln zwar wieder normal auf die beiden eindeutig mit einer zuckersüßen beziehungsweise bitteren Speise assoziierten Düfte, aber zurückhaltender als ihre nicht geschüttelten Artgenossen auf die Mischversionen der drei unklaren Düfte. Die Forscher sehen dieses zögernde Verhalten als Beweis einer inneren Verstimmtheit, einer inneren Niedergeschlagenheit. Während die ungeschüttelten Bienen eher optimistisch davon ausgingen, dass auch die uneindeutigen Düfte zu süßen Nahrungsmitteln führen würden, erwarteten die geschüttelten Insekten eher das Gegenteil.

Im Vergleich zur schier endlosen Vielfalt menschlicher Emotionen wirken diese Ergebnisse etwas simpel. Dennoch sind die depressiven Zustände ein Beweis für die emotionalen Fähigkeiten des Insektenhirns. Damit ist dieses Experiment die bisher objektivste verfügbare Methode zur Aufdeckung von Insektengefühlen.

In einer weiteren neurochemischen Untersuchung konnte man zudem feststellen, dass die Gehirne der geschüttelten Bienen eine veränderte Konzentration spezieller Neurotransmitterstoffe aufweisen, die für depressive Zustände typisch ist. Kurz gesagt: Die geschüttelten Bienen handelten depressiv-pessimistisch, sie neigten dazu, das Glas als halb leer zu betrachten – trotz Nervensystem und Hirnstruktur in simpelster Form.

Zeit also, sich in die Bienen, Hummeln und Wespen hineinzuversetzen, denn auch die haben Gefühle. Mehr Herz für Insekten!

Quelle: Bateson, Melissa/Desire, Suzanne/Gartside, Sarah/Wright, Geraldine A. (2011): Agitated honeybees exhibit pessimistic cognitive bias, in: Current Biology, Nr. 21, S. 1070–1073.

Die Studie, die zeigt, ob Katzen mit dunklem oder mit hellem Fell gefährlicher für Allergiker sind


Katzenhaaren haftet das kleine und leichte Allergen mit der Bezeichnung »Fel d 1« an – der Albtraum jeder Beziehung zwischen Allergiker und Katze. Aber reagieren Allergiker jeweils unterschiedlich auf die Allergene von Katzen mit dunklem, hellem oder geschecktem Fell? Ist die Katzenhaarallergie farbig? Um welche Fellfarbe sollte man den größten Bogen machen? Wissenschaftler, eher eine Art Staubforscher, haben dazu eine Studie entworfen, die dieses Allergen in Zusammenhang mit der Fellfarbe untersucht.

Dazu sammelten die Forscher Staub aus zweiundvierzig Haushalten, in denen Katzen leben. Wie praktisch, wenn Forscher mit ihren speziellen Staubsaugern den Putztag übernehmen! Vielleicht klingelt ja auch mal einer bei Ihnen. Wichtig war bei der Auswahl der Testhaushalte, dass sich die Katze auch tatsächlich regelmäßig im Wohnzimmer aufhält – es geht ja schließlich um Hauskatzen. Man notierte sich die Fellfarbe des Stubentigers und ermittelte anschließend den Allergengehalt der Staubproben.

Der Vergleich zwischen den Haushalten mit dunklen und denen mit hellen Katzen ergab, dass die Fellfarbe der Katzen keinen Einfluss auf die Menge der im Staub enthaltenen Allergene hat. Es gibt also keine farbspezifische Gefahr für allergische Schnupfen- oder Asthmaanfälle. Dem schwarzen Kater lässt sich also kein erhöhtes Allergierisiko in die Schuhe schieben.

Quelle: Siebers, Robert/Holt, Shaun/Peters, Sue/Crane, Julian/Fitzharris, Penny (2001): Fel d 1 levels in domestic living rooms are not related to cat color or hair length, in: Journal of Allergy and Clinical Immunology, Nr. 108, S. 652–653.

Die Studie, die zeigt, dass Heavy-Metal-Musik wie eine Schlägerei wirkt


Um das Risiko traumatischer Hirnverletzungen und massiver Nackenschmerzen infolge von Headbanging zu Heavy-Metal-Musik machten sich bisher nur besorgte Eltern Gedanken. Jetzt aber gingen Wissenschaftler systematisch an dieses Problem heran, mit Beobachtungsstudien, Gruppenbefragungen und biomechanischen Analysen.

Beim Headbanging und ähnlichen Tanzstilen zu populärer Heavy-Metal-Musik kommt man auf eine mittlere Kopfschüttelfrequenz von 146 Bewegungen pro Minute. Dabei wird der Kopf horizontal um bis zu fünfundsiebzig Grad bewegt. Die Forscher schlagen in ihrem Fazit übrigens Schutzbekleidung sowie das Wechseln des Musikstils vor. Jedes Heavy-Metal-Konzert führt demnach zu ähnlichen körperlichen Schädigungen wie eine Schlägerei. Sind Sensibilisierungskampagnen und Warnhinweise auf CDs nötig? Ist Led Zeppelins Erfindung des Headbangings wirklich so gefährlich?

Tatsächlich: Was ungewohnten Hörern in den Ohren schmerzt, das spüren Fans der Musik- und Tanzrichtung sogar am eigenen Leib. Hardrock und die verschiedenen Subgenres des Heavy Metal stehen für etwa dreißig Prozent aller Plattenverkäufe in den USA. Bei der dazugehörigen Tanzbewegung wird der Kopf im Takt der Musik vor, zurück oder seitwärts bewegt – manchmal aber auch in alle Richtungen gleichzeitig. Echte Headbanger haben so einiges zu bieten.

Die Basis der Untersuchung bildet ein aus einer Beobachtungsstudie gewonnenes theoretisches Modell des Bewegungsablaufs beim Headbanging. Die Forscher simulierten mit diesem Modell die typischen Ausprägungen von Beugungsstärke, Frequenz und Streckung der Kopf- und Halswirbelsäulenbewegungen. In das Modell integriert wurden Grenzwerte oder Schadensschwellen für Kopf- und Genickverletzungen.

Die Wissenschaftler luden die Fans auch zu einer Diskussionsgruppe ein und baten sie darum, für beliebte Heavy-Metal-Songs die Geschwindigkeit der dazu passenden Kopfneigebewegungen zu bestimmen. Die Forscher verzichteten auf die direkte Messung der Beats pro Minute, weil damit nicht die subjektive Wahrnehmung der Headbanger abgebildet wird. Nachdem man das durchschnittliche Headbanging-Tempo der einzelnen Songs bestimmt hatte, wurden Modellrechnungen durchgeführt.

Ab einem Tempo...