Lehrer-Schüler-Interaktion - Inhaltsfelder, Forschungsperspektiven und methodische Zugänge

von: Martin K. W. Schweer

VS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV), 2008

ISBN: 9783531911045 , 616 Seiten

2. Auflage

Format: PDF, OL

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Preis: 46,99 EUR

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Lehrer-Schüler-Interaktion - Inhaltsfelder, Forschungsperspektiven und methodische Zugänge


 

Sozialisationsinstanz Schule: Zwischen Erziehungsauftrag und Wissensvermittlung (S. 13)

Hubert Hofmann &, Karin Siebertz-Reckzeh

1 Einleitung

Schule nimmt im Lebens- und Erfahrungsraum von Kindern und Jugendlichen heute eine zentrale Stellung ein. So lässt sich zunächst herausstellen, dass die historische und gesellschaftliche Entwicklung eines institutionalisierten, öffentlichen, im Prinzip allen Kindern und Jugendlichen zugänglichen Bildungswesens der heranwachsenden Generation bis dato einmalige Bildungschancen eröffnet.

Dass diese auch vermehrt genutzt werden, zeigt sich mit Blick auf die letzten Jahrzehnte daran, dass die Bildungsbeteiligung der Bevölkerung gestiegen ist und sich auch insgesamt ein Trend zu höheren Schulabschlüssen abzeichnet: Im Jahr 2004 verfügten 36,2 % der 20-25-Jährigen über eine Hochschulzugangsberichtigung, im Vergleich dazu sind es nur 15,5 % der damals 60-65-Jährigen, im Vergleich dieser Kohorten hat sich der betreffende Anteil also gut verdoppelt (s. Konsortium Bildungsberichterstattung 2006).

Betrachtet man nun die Erwartungen der Eltern an die Schullaufbahnen und -abschlüsse ihrer Kinder, also die elterlichen Bildungsaspirationen, so zeigt sich, dass diese ebenfalls gestiegen sind, der Zusammenhang zwischen diesen erhöhten normativen Erwartungen der Eltern und der realisierten Bildungslaufbahn stellt sich jedoch als ein sehr komplexer dar (Busse &, Helsper 2004).

Auch die weit verbreitete Inanspruchnahme des außerschulischen Nachhilfeunterrichts gibt Hinweise auf gestiegene Bildungsbestrebungen (s. Schneider 2005). Schulischer Erfolg auf einem möglichst hohen formalen Niveau hat also in seiner subjektiven wie objektiven Wertigkeit an Bedeutung gewonnen.

Zwar sind Bildungsbeteiligung und -stand der Bevölkerung insgesamt gewachsen, aber im Zuge u. a. der internationalen Schulleistungsvergleichsstudien sind auch die erheblichen Diskrimierungstendenzen gerade im deutschen Schulsystem wieder verstärkt in den Fokus der wissenschaftlichen wie öffentlichen Diskussion gelangt.

Insbesondere sozioökonomische sowie auch Migrationshintergrunde sind häufig mit sozialen Disparitäten verbunden, die in der schulischen Bildung insgesamt bislang nicht überwunden werden (s. Prenzel et al. 2007). Es zeigt sich dagegen ein deutlich verändertes Bild in Hinsicht auf geschlechtstypische Bildungswege: Mädchen bzw. Frauen erzielen insgesamt höhere Abschlüsse als die männlichen Schüler, jedoch folgt dann ein deutlicher Bruch in den beruflichen Laufbahnen, vor allem wenn es etwa um die Teilhabe an höheren Führungspositionen geht (Cornelißen, Stürzer, Roisch &, Hunze 2003), dieses letztgenannte Phänomen macht auf einen möglichen, sehr nachhaltigen Effekt schulischer Sozialisation aufmerksam.

Schließlich sei angemerkt, dass Kinder und Jugendliche einen erheblichen Teil ihrer Zeit in der Schule bzw. mit schulbezogenen Tätigkeiten verbringen. Fend (2006) verweist alleine auf bis zu 15.000 Unterrichtsstunden, die im Zuge einer Schullaufbahn aufgerechnet werden können. Schule stellt einen sozialen Erfahrungskontext dar, der das Denken, Fühlen und Handeln von Kindern und Jugendlichen beeinflusst.

Die viel zitierten gesellschaftlichen und ökonomischen Trends stellen das Bildungssystem insgesamt und so auch die schulische Bildung vor große Chancen und Herausforderungen: Zu nennen sind etwa demografischer Wandel, Globalisierung, veränderte Arbeitsmarktanforderungen und die gestiegene Vielfalt an Lebensentwürfen, Beziehungs- und Familienformen.

Diese „veränderten Rahmenbedingungen" (s. Konsortium Bildungsberichterstattung 2006: 5f.) betreffen nicht nur die schulische Aufgabe der Qualifikation, sondern rücken auch weiteren Sozialisationseffekte schulischer Erfahrungen stärker ins Blickfeld.

Vor diesem Hintergrund werden im Folgenden die Fragen erörtert, welche Wirkungen schulische Erfahrungen auf die Persönlichkeitsentwicklung von Kindern und Jugendlichen haben, wie und ob es unserem Schulsystem gelingt, ihnen einen Rahmen zur Entfaltung ihrer Potentiale anzubieten.