Die Opec - Macht und Ohnmacht des Öl-Kartells

von: Jan Martin Witte, Andreas Goldthau

Carl Hanser Fachbuchverlag, 2009

ISBN: 9783446422049 , 306 Seiten

Format: PDF, OL

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Preis: 17,99 EUR

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Die Opec - Macht und Ohnmacht des Öl-Kartells


 

1 Macht und Ohnmacht der OPEC (S. 1)

Der Beschluss der arabischen Ölförderländer vom 16. Oktober 1973 schlug weltweit wie eine Bombe ein. Mit einem Federstrich verdoppelten die Produzentenstaaten den Ölpreis. Doch damit nicht genug: Gleichzeitig kündigten die Scheichs sukzessive Produktionsrückschnitte für die folgenden Monate an – alle vier Wochen um 5 % –, die den Preis weiter in die Höhe treiben sollten.

Das Sahnehäubchen war das lange Zeit geheim gehaltene selektive Embargo der arabischen Produzenten gegen „feindlich gesinnte" Konsumentenstaaten, insbesondere die USA und die Niederlande, die aufgrund ihrer Unterstützung des Staates Israel komplett von der Versorgung mit Öl abgeschnitten werden sollten.

Nach Bekanntwerden der Entscheidungen der arabischen Produzenten brach auf dem internationalen Ölmarkt Panik aus, der Ölpreis erklomm innerhalb kürzester Zeit astronomische Höhen. Die westlichen Konsumentenstaaten sahen sich gezwungen, dramatische Maßnahmen zu ergreifen, um auf das arabische Embargo zu reagieren und den Ölmarkt zu beruhigen. In Deutschland griff Bundeskanzler Willy Brandt zu unorthodoxen Methoden.

Mit dem Energiesicherungsgesetz vom 9. November 1973 – nur drei Wochen nach den Beschlüssen der Ölförderstaaten vom Deutschen Bundestag in Rekordzeit verabschiedet – verhängte die Bundesregierung Fahrverbote und Geschwindigkeitsbegrenzungen, um damit den Mineralölverbrauch zu mindern. In Erinnerung bleiben vor allem die vier autofreien Sonntage im November und Dezember 1973. Die Deutschen konnten zum ersten Mal in ihrer Geschichte die Autobahnen zu Fuß erkunden. Mit Ausnahme von Taxen, Krankenwagen und Frischtransporten war jeglicher Verkehr von den Straßen verbannt.

Die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit der autofreien Sonntage war von Beginn an umstritten. Doch als Symbol der Ölkrise des Herbstes 1973 brannten sie sich ohne Zweifel in das kol- lektive Gedächtnis der Deutschen ein. Die Organisation Erdöl exportierender Staaten (in der englischen Abkürzung: OPEC) spielte zwar nur eine Nebenrolle in dem sich entfaltenden Drama, die wirklichen Protagonisten waren eine kleine Zahl arabischer Produzentenstaaten – allen voran Saudi-Arabien –, die ihren politischen Zielen mit der sogenannten „Ölwaffe" Nachdruck verleihen wollten.

Doch im öffentlichen Bewusstsein zementierte sich das Bild eines machtvollen Kartells, eines illustren Zusammenschlusses aus Scheichs und Despoten, die die Industriestaaten mittels ihres Ölreichtums in politischer Geiselhaft halten konnten. Die OPEC wurde zum Symbol der neuen Macht der Ölproduzenten.

In kurzer Zeit avancierte die zuvor eher obskure internationale Organisation zu einem zentralen Akteur auf der internationalen politischen Bühne. Für viele Beobachter versinnbildlichte der Herbst 1973 somit eine Zeitenwende, den Beginn einer neuen Ära. So konstatierte Willy Brandt in einer Rede vor dem Deutschen Bundestag: „Man wird ohne nennenswerten Widerspruch feststellen können, dass Ende 1973 und hinübergreifend ins Jahr 1974 ein Einschnitt in der Nachkriegsgeschichte stattgefunden hat.

Nichts wird wieder ganz so sein, wie es vorher war." Das 1960 in Bagdad aus der Taufe gehobene „Kartell" der Ölproduzenten, so schien es, hatte mit einem lauten Knall die Macht im internationalen Ölmarkt übernommen.

Der Ölmarkt ist einer der am meisten politisierten Märkte überhaupt. Dies ist vor allem Konsequenz der elementaren wirtschaftlichen und militärischen Bedeutung des schwarzen Goldes. Öl ist der wichtigste Primärenergieträger der Welt und wird dies laut Projektionen der Internationalen Energieagentur (IEA – einer von den Industriestaaten geschaffenen Organisation mit Sitz in Paris, das Gegenstück zur OPEC auf Konsumentenseite) auch auf lange Sicht bleiben.

Öl ist die Basis für Otto- und Dieselkraftstoffe und somit von größter Bedeutung für den Transportsektor. In der Stromerzeugung hat die Bedeutung von Öl vor allem in Europa in den vergangenen Jahren zwar abgenommen.