Midnight Liaisons - Zur Leidenschaft bestimmt

von: Jessica Clare

beHEARTBEAT, 2019

ISBN: 9783732581399 , 363 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: DRM

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Preis: 6,99 EUR

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Midnight Liaisons - Zur Leidenschaft bestimmt


 

Kapitel eins


Savannah


Vor sechs Monaten

Ich schaue mit leerem Blick zur Leinwand, ohne die actionreiche Handlung zu verfolgen. Stattdessen sind da nur die beiläufigen Worte meines Freundes, die mir in den Ohren widerhallen. Ich finde, wir sollten uns auch mal mit anderen treffen. Das hatte er ganz nebenbei gerade in dem Moment bemerkt, als der Film anfing.

Jetzt ist der verdammte Streifen schon halb vorbei, und ich kann nicht mal sagen, worum es überhaupt geht. Ich muss die ganze Zeit nur daran denken, dass mein blöder Freund mir den Laufpass geben will, kurz bevor ich läufig werde.

Natürlich weiß er nicht, dass es bald so weit ist. Ich habe ihm nichts gesagt. Eigentlich habe ich ja vorgehabt, heute Abend ein ernsthaftes Gespräch darüber zu führen, die Sache zwischen uns auf die nächste Ebene zu heben. Darauf warte ich schon drei Monate lang. So nach dem Motto: Lass uns endlich das volle Programm durchziehen. Aber dieses Gespräch kann ich mir ja jetzt wohl erst einmal sparen.

Mit vor der Brust verschränkten Armen schmolle ich vor mich hin und starre weiter auf die Leinwand, wo gerade ein Auto über einen leeren Highway donnert. Das Kino ist voller johlender Menschen, aber mein Freund schweigt. Hat er die Bombe absichtlich direkt vor dem Filmanfang platzen lassen, damit ich nichts dazu sagen konnte?

Ein schreckliches Timing. Das heißt, für ihn vermutlich ein ideales, schließlich ist mein Freund Chris ein ziemlicher Drecksack. Aber wir waren zwei Monate zusammen. Er war eigentlich ein netter Kerl – süß, sexy, lustig –, es hat Spaß mit ihm gemacht. Er hat mir die Tür aufgehalten, wenn wir ausgegangen sind, und er hat mich nicht bedrängt, mit ihm zu schlafen.

Er ist als Gestaltwandler außerdem ein Tiger, was bedeutet, dass er gut zu meiner Werpuma-Seite passt. Wirklich, in der Theorie ist er perfekt für mich.

In der Theorie.

Ich schäume innerlich, während der Film weiterläuft. Ich kann es nicht glauben. Schon sehr bald werde ich läufig. Und das macht mich gereizt, sexbesessen und bedürftig. Ich habe eigentlich vorgehabt, mir meine Jungfräulichkeit bis zur Hochzeit zu bewahren, aber für weibliche Gestaltwandler ist es eine große Sache, läufig zu werden. Wir haben unseren Eisprung nicht monatlich wie menschliche Frauen, sondern werden vielleicht nur ein- oder zweimal – wenn man wirklich großes Glück hat, dreimal – im Leben läufig. Es ist nichts, was man vermeiden kann, und wir sind nur dann fruchtbar, wenn wir läufig sind. Also kommt zu dem »Ich muss Sex haben«-Problem auch noch das Familiengründungs-Ding hinzu.

Sicher, ich kann meinen Freund dazu bringen, ein Kondom zu benutzen. Aber bin ich wirklich bereit zu sagen: Ja, ich will im Moment auf gar keinen Fall Kinder? Oder vielleicht auch überhaupt nie? Was, wenn ich nie wieder läufig werde und meine Gelegenheit somit verpasst habe?

Nicht dass das vorher je Thema gewesen wäre. Ich habe es genossen, mit Chris zusammen zu sein. Aber jetzt … will er sich mit anderen Frauen treffen.

Und dabei war ich kurz davor, mit ihm in die Kiste zu springen. Denn wenn ich nicht mit Chris schlafe, mit wem denn dann? Die Läufigkeit wird mir keine Wahl lassen. Je länger ich es hinausschiebe, umso unwohler werde ich mich fühlen, und ich werde versuchen, jedes männliche Wesen in meinem Revier dazu zu bringen, über mich herzufallen. Mein Cousin Beau, der Anführer der Übernatürlichen Allianz, hat bereits einige linkische (aber gut gemeinte) Bemerkungen darüber gemacht, wie ich mich vorbereiten müsse.

Jede Menge weibliche Gestaltwandler verlassen übers Wochenende die Stadt. Es ist irgendwie so, wie wenn man bei Vollmond die Gestalt verändert. Man verbringt ein nettes Wochenende im Wald, abseits der Zivilisation, und bumst den Partner seiner Wahl, bis es beiden zum Hals raushängt … Und dann kommt man entweder schwanger oder nicht schwanger nach Hause. Wie auch immer, so läuft das jedenfalls.

Bei mir aber läuft das so nicht. Mein Freund will sich mit anderen treffen. Ich balle die Fäuste, und meine Krallen sind gefährlich nah daran, sichtbar hervorzutreten.

Chris sieht mich an. Er hält mir seinen Popcorneimer hin. »Willst du auch was?«

Ich stoße den Eimer zu ihm zurück und schlage heftiger dagegen als beabsichtigt. Der Eimer fliegt auf den Schoß seines Sitznachbarn, und ärgerliches Grummeln wird laut.

Durch die Reihe hinter uns läuft ein »Psst!«.

Scheiß drauf! Ich bin so stinkig. Es sind wahrscheinlich meine Hormone, die mich in ein zorniges Raubtier verwandeln, aber es ist mir egal. Ich lehne mich zu Chris hinüber. »Wir müssen reden.«

Er schielt auf die Leinwand. »Jetzt? Der Film fängt gerade an, richtig gut zu werden.«

Er kann bleiben, wenn er will. Er kann sich mit anderen treffen, wenn er will. Ich habe genug.

Ich springe auf, stapfe den Gang entlang und werfe mir meine Handtasche über die Schulter.

»He, he«, ruft Chris und folgt mir. »Was ist denn los?«

Der halbe Saal zischt aufgebracht, um uns zum Schweigen zu bringen. Ich bleibe nicht stehen – warum soll ich ihnen allen den Abend verderben? Ich stoppe erst, als ich aus dem Kinosaal draußen bin und die Tür hinter mir zugeschwungen ist. Im Vorraum steigt mir der Duft von Popcorn und Hotdogs in die Nase, und mein Magen knurrt. Ich bin in letzter Zeit andauernd hungrig.

Hungrig und gereizt. Ich kann jetzt jeden Tag läufig werden. Wahrscheinlich passiert es dieses Wochenende. Nun ja, scheiße. Ich lehne mich an die Wand, atme tief durch und warte, dass sich meine Krallen wieder zurückziehen und zu Fingernägeln werden. Ich schließe die Augen. Normalerweise bin ich ein ruhiger, gelassener Mensch. Warum stehe ich im Moment so neben mir? Offenbar lässt mich die bevorstehende Läufigkeit einfach verrücktspielen.

Die Tür zum Kinosaal wird erneut aufgerissen, Musik dröhnt heraus und verstummt wieder, als die Tür zugeht. Chris’ Duft weht mir entgegen, und im nächsten Moment höre ich seine Stimme.

»Savannah, was ist los mit dir?«

Ich öffne die Augen und funkle ihn böse an. »Du hast mir vorhin gesagt, dass du dich mit anderen Frauen treffen willst.«

Er legt den Kopf auf eine Weise schräg, die etwas ausgesprochen Katzenhaftes hat. »War da zwischen uns beiden denn irgendwas von ›Nur wir zwei allein‹? Haben wir eigentlich nie so abgemacht.«

Meine Augen weiten sich. »Willst du mich auf den Arm nehmen?«

Er zuckt die Achseln, und meine Verärgerung bereitet ihm offenkundig Unbehagen. »Ich finde einfach, weißt du …« Er kratzt sich ganz beiläufig am Hals. »Du willst die Dinge einfach superlangsam angehen und so … Das ist schwer für einen Mann.«

Schwer für ihn? Ist das sein Ernst? Ich starre ihn an, als würde ich ihn zum ersten Mal sehen. Chris ist ein scharfer Typ, aber es gibt dreimal so viel männliche Gestaltwandler wie weibliche. Ich sollte also reichlich Auswahl haben. Stattdessen führt er sich auf, als würde ich ihn am Gängelband halten. »Ich werde demnächst läufig«, zische ich ihn an.

Ein strahlendes Lächeln huscht über seine Züge. »Oh, schön, freut mich zu hören.«

Ich verschränke erneut die Arme vor der Brust, einen gefährlichen Ausdruck im Gesicht. »Warum? Heraus mit der Sprache.«

»Nun ja, es erklärt deine Laune«, gibt er zurück, und als sich meine Augen verengen, fügt er hinzu: »Außerdem, du weißt schon … wegen der Sache mit dem Sex.«

»Es geht dir also um … Sex?«

Er wirkt verwirrt. »Warum sonst sollte ich mich mit anderen treffen wollen?«

Super. Jetzt kriege ich Kopfschmerzen. Als ich angefangen habe, mit Chris auszugehen, wusste ich, dass er kein Atomwissenschaftler oder etwas dergleichen ist. Er kommt aus dem Merino-Clan, und, nun ja, der Clan der Tiger ist nicht gerade für überragende Intelligenz bekannt. Muskeln, ja. Gutes Aussehen, ja. Aber Hirn? Nein.

Ich reibe mir frustriert die Stirn. »Nun, dann kann ich wohl froh sein, dass ich das jetzt herausgefunden habe.«

»Und ich auch«, antwortet er strahlend. »Jetzt kann ich meine Verabredung für Freitagabend absagen.«

Ich starre ihn an. »Moment mal, jetzt willst du also plötzlich doch wieder nur mich allein?«

»Wenn ich bei dir zum Schuss komme, sicher.« Er zuckt die Achseln.

Ernsthaft jetzt? Wo habe ich diesen Neandertaler ausgegraben? Ich starre ihn mit offenem Mund an. »Du wolltest dich also mit anderen treffen, nur weil ich für dich nicht die Beine breitmachen wollte? Es ist aus zwischen uns, Chris.«

Er zieht die Brauen zusammen. »Aber du wirst jetzt bald läufig. Du brauchst mich.«

Ich brauche ihn so dringend wie ein Loch im Kopf. Ich stoße mich von der Wand ab. »Da werde ich schon etwas finden. Leb wohl!«

»Komm schon, Süße. Sei nicht so.« Er packt mich am Arm, und seine Berührung lässt mich für einen Moment schwach werden.

Chris zieht den Kopf ein und wirft mir ein bezauberndes, zartes Lächeln zu. »Wenn wir jetzt ins Kino zurückgehen, können wir uns noch den Rest des Films ansehen. Danach können wir uns ein hübsches Hotelzimmer nehmen und …«

Auch wenn mein Körper »Ja, ja, ja« sagt, kontert mein Gehirn mit »Pfui, nein!«. Ich schüttele seinen Griff ab. »Niemals. Ich bin fertig mit dir. Mach’s gut.« Ich wedele geringschätzig mit der Hand. »Es steht dir jetzt frei, dich mit so vielen Frauen zu treffen, wie du willst.«

Er...