Perry Rhodan 148: Die Macht des Träumers (Silberband) - 6. Band des Zyklus 'Chronofossilien'

von: Ernst Vlcek, Peter Griese, Kurt Mahr, Thomas Ziegler

Perry Rhodan digital, 2019

ISBN: 9783845331478 , 400 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: DRM

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Preis: 9,99 EUR

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Perry Rhodan 148: Die Macht des Träumers (Silberband) - 6. Band des Zyklus 'Chronofossilien'


 

4.


 

»Smiler!«, zischelte es ganz in seiner Nähe.

Der große, durchtrainiert wirkende Mann mit dem Narbengesicht wandte sich nicht um, als er seinen Spitznamen hörte. Schon vor Jahrhunderten hatte er sich angewöhnt, auffällige Reaktionen zu vermeiden. Das hatte ihm seither mehrmals das Leben gerettet. Auf dem weitläufigen Platz vor dem Hauptquartier der Kosmischen Hanse hatte er jedoch nichts zu befürchten, außer dass ihn einer der Passanten als Hanse-Sprecher erkannte. Er blickte sich unauffällig um, hätte aber nicht zu sagen vermocht, welcher der vielen Nachtschwärmer ihn gerufen hatte. Niemand im weiten Umkreis beachtete ihn.

»Tek!«

Es war eine weibliche Stimme oder die eines Jungen im Stimmbruch. Das hatte er diesmal deutlich erkannt.

Ronald Tekener schaute unbewegt in die Runde. Die Leute starrten in den Nachthimmel, wo eine von Krohn Meysenharts Holoshows ablief. Die Terraner konnten sich einfach nicht an den Bildern der Endlosen Armada sattsehen. Raumschiffe, Millionen unterschiedlichster Raumschiffe, und immer neue Vertreter der unzähligen Armadavölker ...

Die Interviews mit den Fremden waren so prächtig bizarr wie die Kamerafahrten zwischen den Armadaeinheiten. Die Armadisten hatten keine eigene Meinung zu den kommenden Ereignissen, sie vertrauten Ordobans Geist, der sie durch Nachors Hand lenkte. Ob sie den Flug ins Solsystem, zum Chronofossil Terra, herbeisehnten? Was bei dem Gedanken, das wichtigste Chronofossil der Milchstraße zu aktivieren, in ihnen vorging? Sie vermochten es nicht zu sagen. Die meisten Armadisten wussten nicht einmal, dass das nächste Ziel der Endlosen Armada die Erde war.

»Terra? Nie gehört. Was soll das sein?« So drastisch formulierte es Meysenharts News-Entertainer Ravael Dong, und das schrammte nur unwesentlich an der Realität vorbei. Ein kleiner, unbedeutender Raumfahrer aus einer der vielen Teilflotten kümmerte sich nicht um kosmische Hintergründe. Wenn es Ordobans Wille war, eine Welt namens Terra anzufliegen, dann geschah das eben.

Die Terraner selbst konnten es allerdings kaum erwarten, dass die Endlose Armada endlich kam.

Abrupt wurde die laufende Sendung unterbrochen. Das Signet des Warners erschien im Nachthimmel über Terrania. Die Menschen murrten, kaum dass das Symbol der drei Pfeile erschien, deren nach außen weisende Spitzen die Ecken eines gleichseitigen Dreiecks bildeten.

»Dreht dem Piratensender endlich den Saft ab!«

»Gebt dem Unkenrufer eins aufs Dach!«

Ronald Tekener gestattete sich ein kaum merkliches Lächeln. Die Reaktionen der Terraner auf die Schreckensvisionen des Warners wertete er als positiv. Noch am Vortag hatten sich die meisten verunsichern lassen. Nun, da sie endlich wussten, dass die Endlose Armada kommen würde, schlug ihre Stimmung um. Die düsteren Prophezeiungen des Warners wurden ihnen sogar lästig.

Als die silbrig flimmernde Gestalt wie mit Steppschritten über den Himmel tänzelte, buhten viele Zuschauer. Tekener blieb stehen. Gespannt wartete er auf die Reaktion des Warners – besser gesagt: Er beobachtete, ob der Warner eine Reaktion auf die Ablehnung zeigte. Der Unbekannte blieb jedoch seinem Stil treu und kündigte den sechsten Akt der präkognostischen Zukunftsvision Und alle Sterne erlöschen an.

Enttäuscht ging Tekener weiter, während die Stimme des Warners zornig aus dem Himmel donnerte:

»... nun ist es also geschafft, das Chronofossil Terra wurde präpariert. Die Kerze ist angezündet, wenngleich nur ein schwaches Licht – kaum eine Macht, die es nicht mühelos auspusten könnte. Immerhin leuchtet es hell genug, um dem Dekalog der Elemente den Weg zu weisen. Ein kraftloses Leuchtfeuer, trotzdem ein Wegweiser für den größten Gegner, den Herrn der Elemente und der Negasphäre. Es ruft ihm förmlich zu: ›Element, Element, das Lichtlein Terra brennt ...‹«

Mit dieser Geschmacklosigkeit war der Warner einen Schritt zu weit gegangen. Seine Stimme ging fast in den Unmutsäußerungen der Zuschauer unter.

»Ronny!«

Wieder ein leiser Ruf. Tekener wirbelte herum. Eine ältere Frau zuckte erschrocken zurück, als sie unvermittelt sein Narbengesicht sah. Nach der ersten Schrecksekunde zeigte sie jedoch den Anflug eines unsicheren Lächelns. »Hanse-Sprecher Ronald Tekener? Der Unsterbliche mit den Narben der Lashat-Pocken ...«

Das hatte ihm gerade noch gefehlt. Er wandte sich ab und bahnte sich einen Weg durch die Menge. Sein Ziel war die Virensäule. Um sie aufzusuchen, hatte er den Umweg auf seinem Weg zum HQ Hanse gemacht.

Über ihm wetterte der Warner unverändert. Tekener hörte kaum hin; es gab nichts Neues. Die Showeffekte und visionären Schreckensbilder hatten ohnehin ihre Bedrohung verloren. Tek kümmerte sich nicht um dieses Spektakel, obwohl er deswegen nach Terra gekommen war. Um den Warner zur Strecke zu bringen, musste er sich nicht dessen neueste Darstellungen ansehen. Er kannte die vorangegangenen Sendungen, das reichte.

»Das ist Ronald Tekener!« Ein junges Ding mit auffälligem Marabu-Federimitat-Umhang und Illusions-Make-up drängte in seine Richtung. »Bist du es tatsächlich?«

Sie griff nach seiner Hand, bekam sie auch zu fassen, und seltsamerweise elektrisierte ihn die Berührung. Ronald Tekener blickte in das grell geschminkte Gesicht. Er schätzte, dass sich unter der Illu-Maske der zarte Teint einer höchstens Sechzehnjährigen verbarg.

»Geh dich waschen, Mädchen!«, empfahl er, ohne länger auf die Jugendliche zu achten.

»Ich könnte dir behilflich sein, Ronald ... Ronny ... Tek ... Smiler!«, erklang es hinter ihm.

Schlagartig wurde Tekener klar, wer ihn mit den Zuflüsterungen verfolgt hatte. Als er sich noch einmal umdrehte, war die aufdringliche Schönheit verschwunden. Erst da wurde ihm bewusst, welch seltsam starke Ausstrahlung von ihr ausgegangen war.

Der Warner schickte seine Mahnungen und Schreckensbilder weiterhin in die Nacht über Terrania. Bemerkte der Unbekannte nicht, dass alles fast unbeachtet verhallte?

Tekener erreichte die Virensäule und betrat die leere Nische.

 

»Ich bin Ronald Tekener, Hanse-Sprecher«, sagte er ohne Umschweife. »Ich ...«

»Deine Identität ist mir bekannt«, fiel ihm die weibliche Stimme des Virenimperiums sanft, aber bestimmt ins Wort. »Was kann ich für dich tun, Ronald? Du erlaubst mir doch diese vertrauliche Anrede?«

»Das ist okay, Virim«, sagte Tekener, weil ihm auf Anhieb keine andere Kurzform für das Virenimperium einfiel. »Es geht um Vishna. Ich möchte mich mit ihr unterhalten. Leider sind alle anderen Versuche, Kontakt aufzunehmen, fehlgeschlagen. Du musst mir eine Unterredung mit ihr verschaffen.«

»Vishna ist derzeit unabkömmlich«, entgegnete das Virenimperium. »Sie beschäftigt sich sehr intensiv mit mir und kann sich deshalb nichts anderem widmen. Sag mir einfach, was du von ihr willst, dann werde ich dir helfen. Vishna und ich sind sehr vertraut und haben keine Geheimnisse voreinander.«

Tekener war sich gar nicht so sicher, dass das stimmte. Früher mochte es so gewesen sein. Inzwischen war jedoch einiges vorgefallen, das einen Keil zwischen Vishna und das Virenimperium getrieben haben konnte. Die Kosmokratin war zu lange fort gewesen und hatte das Virenimperium vernachlässigt, das deshalb womöglich Entwöhnungserscheinungen zeigte.

So konnte es sein, jedenfalls nach Tekeners persönlicher Meinung. Diese Überlegungen führten ihn immerhin zu dem Schluss, dass es keineswegs dasselbe sei, ob er mit Vishna oder dem Virenimperium redete.

»Wenn Vishna unabkömmlich ist, will ich mit Gesil sprechen«, verlangte er.

»Gesil ist mit Vishna bei mir, und sie möchte ebenfalls nicht gestört werden«, antwortete das Virenimperium. »Wenn du schon mit einer der Inkarnationen sprechen willst: Warum nimmst du nicht mit Srimavo vorlieb?«

»Sie ist ein Kind ...«

»Dass du dich da nicht täuschst. Srimavo ist mittlerweile körperlich erwachsen.«

»Wenn schon.« Der oberflächliche Dialog ärgerte Tekener. »Ich glaube, dass nur Vishna oder Gesil mir weiterhelfen können.«

»Warum vertraust du dich mir nicht an?«, fragte das Virenimperium. »Vishna weiß nicht mehr als ich über die aktuelle Lage. Wenn ich dir nicht helfen kann, kann sie es ebenso wenig.«

Tekener konnte das Virenimperium schlecht fragen, ob es sich hinter dem Avatar des Warners verbarg. Aber womöglich kannte der gigantische Biocomputer, der das Solsystem als weit gespannter Ring umgab, seine geheimsten Gedanken. Dann war es ohnehin egal, wen er fragte.

»Bist du der Warner?«

»Wer? Ich? Oder ist deine Frage an Vishna gerichtet?«

»Hast du mit dem Warner zu tun, Virim?«

»Nein!« In der Antwort lag ein leicht empörter Unterton. »Wie käme das Virenimperium dazu, sich mit einem wie dem Warner einzulassen.«

»Kennst du seine Identität?«

»Nein.«

»Hat der Warner mit den drei Ultimaten Fragen zu tun?«

»Das ist nicht leicht vorstellbar ...«

»Ja oder nein?«

Das Virenimperium machte eine Pause – wohl nicht, weil es einige Sekunden brauchte, um die richtige Antwort zu finden, sondern eher, um seine Antwort eindringlicher wirken zu lassen.

»Ich muss etwas klarstellen, Ronald Tekener. Ich bin gewissen Beschränkungen unterworfen, und eine davon umfasst die drei Ultimaten Fragen. Mir fehlt die Berechtigung, mit dir über diesen Komplex zu reden. Du kannst es auch so sehen, dass du inkompetent bist und nicht die nötigen Befugnisse hast.«

»Weil ich kein Kosmokrat bin?«

»Das könnte einer der Gründe sein ...«

Tekener flüchtete geradezu aus der Virensäule, verärgert über...