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"November, im Jahr Gottes 890 (S. 363-362)
.I. Erzbischof Erayks Räumlichkeiten, Stadt Zion
»Guten Morgen, Erayk.« Erayk Dynnys richtete sich ein Stück weit in seinem bequemen Lehnsessel auf. Nun ja, dieser Sessel wäre zumindest bequem gewesen, wäre Dynnys nur in der Lage gewesen, sich etwas zu entspannen. Dieser Sessel war dick gepolstert, die Kissen waren tief genug, sodass Dynnys die Hilfe seines Kammerdieners und eines Gardisten des Tempels in Anspruch nehmen musste, um ihm auf die Beine zu helfen, wann immer es an der Zeit war, sich zu erheben. Bedauerlicherweise gab es mit einem dreifach gebrochenen Bein und einem Schulterblatt, das mindestens zwei Brüche aufwies, keinerlei Möglichkeit, sich irgendwo entspannt und bequem hinzusetzen.
Doch im Augenblick war das wahrlich nicht seine Hauptsorge, als nun ein Mann vor ihn trat, der die völlig schmucklose, orangefarbene Kopfbedeckung eines Vikars auf dem Haupt trug. »Guten Morgen, Euer Durchlaucht«, sagte er. »Verzeiht dieses Auftreten. Ich ... hatte heute Morgen keinen Besuch erwartet.«
»Dessen bin ich mir bewusst«, gab Vikar Zahmsyn Trynair zurück und lächelte gütig. »Aber ich war einer anderen Angelegenheit wegen in der Nähe und dachte mir, ich schaue einmal vorbei und erkundige mich, wie es Ihnen geht.« Dynnys nickte und lächelte ebenfalls, auch wenn er sich nur zu sehr darüber im Klaren war, dass Trynair es ganz darauf angelegt hatte, ihn wissen zu lassen, dass er gerade angelogen worden war. Der Kanzler des Rates der Vikare schaute bei einem einfachen Erzbischof nicht einfach so ›einmal vorbei‹. Vor allem nicht um diese Jahreszeit, wenn diese Stippvisite es erforderlich machte, dass besagter Vikar die auf geheimnisvolle Weise stets angenehm beheizten, luxuriösen Räumlichkeiten im Tempel selbst verließ.
»Darf ich?« Mit einer eleganten Handbewegung deutete Trynair auf einen weiteren Sessel in Dynnys Aufenthaltsraum; im Schein der Lampen dieses Arbeitszimmers blitzte der Saphir seines Ringes auf, und der Erzbischof schüttelte den Kopf, um wieder ganz zu sich zu kommen. »Bitte nehmt Platz, Euer Durchlaucht!«, entgegnete er dann hastig. »Und bitte verzeiht mir auch meine Unhöflichkeit. Ich hatte Euch wirklich nicht erwartet, und ich fürchte, diese Heiler hier verabreichen mir immer noch Mohnsaft.«
»Machen Sie sich deswegen keine Gedanken«, sagte Trynair freundlich. »Nach einem derartigen Sturz können wir uns glücklich schätzen, dass Sie sich nicht noch deutlich schlimmere Verletzungen zugezogen haben.« »Ich weiß Euer Verständnis zu schätzen, Euer Durchlaucht.« Dynnys wartete, bis Trynair sich in den Sessel sinken ließ, auf den er gewiesen hatte. Der Kanzler war größer als Dynnys, dabei auch schlanker, sein Gesicht wirkte sehr kantig, seine tiefliegenden Augen verrieten immense Intelligenz, und sein kurzgeschnittener Bart war äußerst gepflegt. Er trug die orangefarbene Soutane seines hohen Ranges, auf der deutlich erkennbar der blaue Federkiel des Chihiro-Ordens blitzte, und der Saum seiner Soutane war von geschmolzenem Schnee bis fast zur Wade durchnässt."
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