Handbuch der Persönlichkeitspsychologie und Differentiellen Psychologie

von: Hannelore Weber, Thomas Rammsayer

Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, 2005

ISBN: 9783840918551 , 608 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: DRM

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Preis: 52,99 EUR

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Handbuch der Persönlichkeitspsychologie und Differentiellen Psychologie


 

Ängstlichkeit (S. 385-386)

Anxiety
Heinz Walter Krohne, Boris Egloff & Stefan C. Schmukle
Das Thema Angst spielt in der Emotionspsychologie wie auch in der Forschung zu Persönlichkeitsunterschieden eine zentrale Rolle. Diese Verankerung einerseits in einem allgemeinpsychologischen, andererseits in einem differentiellen Feld verweist zugleich auf die Doppelnatur des Konstrukts Angst. Es bezieht sich zum einen auf einen aktuellen emotionalen Zustand, zum anderen auf ein vergleichsweise zeitüberdauerndes Persönlichkeitsmerkmal. Die aktuelle Angstemotion wird dabei als intraindividuell variierender affektiver Zustand des Organismus verstanden, der durch spezifische Ausprägungen auf physiologischen, verhaltensmäßig- expressiven und subjektiven Parametern gekennzeichnet ist. Für das zeitüberdauernde Persönlichkeitsmerkmal wird meist der Begriff Ängstlichkeit verwendet.

Ängstlichkeit
„Ängstlichkeit“ bezeichnet die intraindividuell relativ stabile, aber interindividuell variierende Tendenz, Situationen als bedrohlich wahrzunehmen und hierauf mit einem erhöhten Angstzustand zu reagieren. Neben dieser deskriptiven Orientierung bezieht sich das Konstrukt Ängstlichkeit aber auch auf die Bedingungen, über die interindividuelle Unterschiede in der aktuellen Angstreaktion bei objektiv gleichen situativen Bedingungen (z. B. einer Zahnbehandlung) erklärt werden sollen. Eine derartige Bedingung könnte etwa bei einer Zahnbehandlung in der Erwartung der betroffenen Person liegen, bei der Behandlung Schmerzen zu erleiden und diese nicht ertragen zu können. Wie einzelne Bedingungen inhaltlich genauer zu bestimmen sind und bei der Auslösung des Angstzustands zusammenwirken, lässt sich nur auf dem Hintergrund einer jeweiligen Angsttheorie festlegen (vgl. Krohne, 1996).

Menschen lassen sich danach unterscheiden, welche speziellen Situationstypen bzw. Umweltbereiche (z. B. Prüfungssituationen, Zahnarztbesuche, soziale Konflikte oder Naturereignisse) sie – wenn überhaupt – als stärker bedrohlich erleben und mit einer Angstreaktion beantworten. Eine relativ grobe Unterscheidung ist die nach selbstwertbedrohlichen und physisch bedrohlichen Situationen und den entsprechenden Angstneigungen (Bewertungsängstlichkeit vs. Angst vor physischer Verletzung). Einen weiteren wichtigen Bereich stellen Situationen der sozialen Interaktion mit dem entsprechenden Persönlichkeitsmerkmal der sozialen Ängstlichkeit dar. Weitere im Zusammenhang mit dieser Ängstlichkeit wichtige Kon- zepte sind soziale Gehemmtheit sowie Publikums- bzw. Sprechangst. In neueren Untersuchungen werden darüber hinaus inhaltlich eingeschränktere Merkmale wie Sportwettkampfängstlichkeit oder Mathematikängstlichkeit analysiert. Die Identifizierung derart eng umschriebener Angstneigungen leitet sich dabei besonders aus dem Wunsch her, Tests mit einer immer besseren Vorhersageleistung für emotionale Reaktionen und darauf bezogenes Verhalten in spezifischen („eigenschaftskongruenten“) Situationen zu konstruieren.

Bewertungsängstlichkeit bezeichnet die Tendenz, in Situationen, in denen die Möglichkeit des Versagens und des Selbstwertverlusts besteht, mit Angst zu reagieren. Im Zentrum derartiger Situationen steht die Prüfung, weshalb für entsprechende Angstneigungen hier auch Begriffe wie Prüfungsangst, Leistungsangst oder Testangst verwendet werden. Die Angst vor physischer Verletzung bezieht sich auf individuelle Unterschiede hinsichtlich der Tendenz, in Situationen, in denen eine Bedrohung der körperlichen Unversehrtheit besteht, mit Angst zu reagieren. Unter der Vielzahl der in diesem Bereich unterscheidbaren möglichen Bedrohungen sind besonders medizinische Eingriffe intensiv untersucht worden.

1 Theorien zur Ängstlichkeit
Theorien zur Ängstlichkeit lassen sich danach unterscheiden, welche Faktoren sie für die Auslösung der Emotion Angst wie auch für die Konsequenzen dieses Zustands im Erleben und Verhalten verantwortlich machen und wie sie die Art der Bedingungen spezifizieren, die zu interindividuell unterschiedlich starken angstbezogenen Verhaltenstendenzen führen. Wichtige Anregungen für die Theoriebildung und empirische Forschung gingen von der Psychoanalyse Sigmund Freuds aus (Psychoanalytische Persönlichkeitstheorien). Diese Anregungen wurden innerhalb behavioristischer und kognitionspsychologischer Ansätze präzisiert und weiterentwickelt.

1.1 Behavioristische Theorien
Grundlage der behavioristisch orientierten Angstforschung ist die Vorstellung Watsons, dass Angst- bzw. Furchtreaktionen klassisch konditioniert werden. Danach verfügen höhere Organismen über eine Reihe basaler Emotionen, darunter Furcht, die durch bestimmte angeborene Auslöserreize wie laute Geräusche oder Verlust an Halt ausgelöst werden können. Alle übrigen Auslöser von Furcht haben diese Funktion über den Vorgang des klassischen Konditionierens erworben.