Darker - Fifty Shades of Grey. Gefährliche Liebe von Christian selbst erzählt - Roman

von: E L James

Goldmann, 2017

ISBN: 9783641229771 , 640 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: DRM

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Preis: 12,99 EUR

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Darker - Fifty Shades of Grey. Gefährliche Liebe von Christian selbst erzählt - Roman


 

DONNERSTAG, 9. JUNI 2011

Ich sitze und warte. Das Herz klopft mir bis zum Hals. Es ist 17:36 Uhr, und ich schaue in der Zurückgezogenheit meines Audi auf die Tür des Gebäudes, in dem sie arbeitet. Ich weiß, ich bin zu früh dran, aber auf diesen Augenblick habe ich mich schon den ganzen Tag gefreut.

Gleich sehe ich sie.

Unruhig rutsche ich auf dem Rücksitz meines Wagens herum, Vorfreude und Angst schnüren mir den Magen zu und liegen schwer auf meiner Brust. Taylor blickt, gelassen wie immer, vom Fahrersitz aus schweigend geradeaus, während ich kaum Luft bekomme. Das ärgert mich.

Verdammt. Wo steckt sie?

Sie ist drinnen – in dem heruntergekommenen Verlagsgebäude von Seattle Independent Publishing, das etwas zurückgesetzt an einem breiten, offenen Gehsteig steht. Der Firmenname ist lieblos ins Glas geätzt und die Milchglasfolie auf dem Fenster löst sich an manchen Stellen ab. Hinter diesen verschlossenen Türen könnte sich gut und gern eine Versicherung oder Steuerkanzlei befinden; sie präsentieren ihre Waren nicht im Schaufenster. Das werde ich ändern, sobald ich hier das Sagen habe. SIP gehört mir. Fast. Den Vorvertrag habe ich bereits unterzeichnet.

Taylor räuspert sich und sieht mich im Rückspiegel an. »Ich warte draußen, Sir«, sagt er zu meiner Überraschung und steigt aus, bevor ich ihn daran hindern kann.

Möglicherweise spürt er meine Anspannung stärker, als ich dachte. Ist sie mir so deutlich anzusehen? Vielleicht ist er ja unruhig. Aber warum? Immerhin musste er in der vergangenen Woche meine ständig wechselnden Launen ertragen, und ich weiß, dass es mit mir nicht leicht war.

Doch heute war alles anders. So voller Hoffnung. Es ist mein erster produktiver Tag, seit sie mich verlassen hat. So fühlt es sich zumindest an. Mein Optimismus hat mich meine Termine mit Schwung absolvieren lassen. Noch zehn Stunden. Neun. Acht. Sieben … Meine Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt, während die Sekunden bis zu meiner Wiedervereinigung mit Miss Anastasia Steele heruntertickten.

Aber jetzt, da ich allein hier sitze und warte, verflüchtigen sich Entschlossenheit und Zuversicht, die mich tagsüber begleitet ­haben.

Vielleicht hat sie es sich anders überlegt.

Wird es überhaupt eine Wiedervereinigung? Oder bin ich nur das Taxi nach Portland?

Wieder schaue ich auf die Uhr.

17:38.

Scheiße. Warum vergeht die Zeit so langsam?

Ich spiele mit dem Gedanken, ihr eine E-Mail zu schicken, ihr mitzuteilen, dass ich draußen warte, aber als ich nach meinem Handy greife, merke ich, dass ich den Blick nicht von der Tür wenden kann. Also lehne ich mich zurück und rufe mir ihre letzten Mails in Erinnerung. Ich kenne sie auswendig; sie sind alle freundlich und sachlich, ohne jeden Hinweis darauf, dass ich ihr fehle.

Möglicherweise bin ich tatsächlich nur das Taxi.

Ich schiebe den Gedanken beiseite, starre weiter die Tür an und versuche, Ana mit Willenskraft dazu zu bringen, dass sie auftaucht.

Anastasia Steele, ich warte.

Da geht die Tür auf, und mein Herz hebt sich in schwindelerregende Höhen, stürzt aber gleich wieder ab. Was für eine Enttäuschung! Es ist nicht sie.

Verdammt.

Sie hat mich immer warten lassen. Jedes Mal eine freudlose Angelegenheit: bei Clayton’s, nach dem Fotoshooting im Heathman und sogar, als ich ihr Erstausgaben von Thomas Hardy geschickt habe.

Tess …

Ob sie sie noch hat? Sie wollte sie mir zurückgeben; sie wollte sie einer wohltätigen Organisation überlassen.

Ich will nichts, das mich an dich erinnert.

Anas Bild hat sich in mein Hirn eingebrannt: ihr trauriges, aschfahles Gesicht, verletzt und verwirrt. Die Erinnerung ist mir nicht willkommen. Sie schmerzt.

Ich bin schuld, dass es ihr so schlecht geht. Ich bin zu weit gegangen, zu schnell. Und das bedauere ich. Seit sie mich verlassen hat, ist die Verzweiflung mein ständiger Begleiter. Ich schließe die Augen, versuche, meine Mitte zu finden, werde aber nur mit meiner tiefsten, dunkelsten Angst konfrontiert: Sie hat einen anderen kennengelernt. Sie teilt ihr kleines weißes Bett und ihren wunderbaren Körper mit einem beschissenen Fremden.

Verdammt. Grey. Bleib positiv.

Vergiss es. Noch ist nicht alles verloren. Du wirst sie bald sehen. Du bist vorbereitet. Du wirst sie zurückgewinnen. Während ich die Augen aufmache, starre ich die Tür durch die dunkel getönten Scheiben meines Audi an. Die Fenster spiegeln meine Stimmung wider. Weitere Leute verlassen das Gebäude, Ana ist nicht dabei.

Wo steckt sie?

Taylor geht draußen auf und ab und schaut zur Tür hinüber. Er wirkt genauso nervös, wie ich mich fühle. Was zum Teufel ist los mit ihm?

17:43. Sie muss jeden Moment herauskommen. Ich hole tief Luft, zupfe an meinen Manschetten. Als ich meine Krawatte kontrollieren will, stelle ich fest, dass ich keine trage. O Mann. Während ich mir mit der Hand durch die Haare fahre, bemühe ich mich, meine Zweifel beiseitezuschieben, aber sie lassen mir keine Ruhe. Bin ich nur ihr Taxi? Habe ich ihr gefehlt? Will sie mich überhaupt zurückhaben? Ist da ein anderer? Ich habe keine Ahnung. Das ist schlimmer als das Warten damals in der Marble Bar vom ­Heathman. Die Situation ist nicht ohne Ironie. Ich hatte gedacht, das sei der wichtigste Deal, den ich je mit ihr aushandeln würde. Doch es hatte sich nicht wie erwartet entwickelt. Mit Miss ­Anastasia Steele entwickelt sich nie etwas so, wie ich es erwarte. Ich spüre nun, wie blanke Panik aufkommt. Heute werde ich einen noch viel wichtigeren Deal aushandeln müssen.

Ich will sie zurück.

Sie hat gesagt, sie liebt mich …

Mein Puls beschleunigt sich, Adrenalin durchströmt meinen Körper.

Nein. Nein. Denk nicht daran. Sie kann mir keine solchen Gefühle entgegenbringen.

Beruhige dich, Grey. Konzentrier dich.

Ich sehe noch einmal zum Eingang von Seattle Independent Publishing hinüber, und da ist sie. Sie kommt auf mich zu.

Fuck.

Ana.

Bei ihrem Anblick schnappe ich nach Luft, als hätte mir ­jemand einen Tritt in den Solarplexus verpasst. Unter einem schwarzen Blazer trägt sie eines meiner Lieblingskleider, das lilafarbene, dazu schwarze hochhackige Schuhe. Ihr Haar, das die frühabend­liche Sonne erglänzen lässt, schwingt beim Gehen. Doch nicht ihr ­Outfit oder ihre Frisur ziehen meine Aufmerksamkeit auf sich. Ihr Gesicht ist blass, fast durchsichtig. Unter ihren Augen sind dunkle Ringe, und sie ist schmaler geworden.

Schmaler.

Ich werde von Schmerz und Schuldgefühlen gepackt.

O Mann.

Auch sie hat gelitten.

Meine Sorge schlägt in Verärgerung um.

Nein. In Zorn.

Sie hat nichts gegessen. In den vergangenen Tagen hat sie fünf, möglicherweise sogar sechs Pfund verloren. Sie wendet sich irgend­einem Typen zu, der sich mit einem breiten Lächeln bedankt. Gut aussehender Kerl, ziemlich eingebildet. Arschloch. Ihre freundlichen Blicke machen mich noch wütender. Er sieht ihr mit unverhohlener Bewunderung nach, als sie zu meinem Wagen geht. Mit jedem ihrer Schritte spüre ich, wie Rachegelüste in mir aufsteigen.

Taylor öffnet ihr die Tür und hält ihr die Hand hin, um ihr beim Einsteigen zu helfen. Endlich sitzt sie neben mir.

»Wann hast du das letzte Mal etwas gegessen?« Ich bin kaum in der Lage, mich zu beherrschen. Ihre blauen Augen schauen mich an, ziehen mich nackt aus. Ich bin wieder so hilflos wie bei unserer ersten Begegnung.

»Hallo, Christian. Mich freut’s auch, dich wiederzusehen«, sagt sie.

Wie bitte?

»Ich habe jetzt keine Lust auf deine spitze Zunge. Antworte mir.«

Sie blickt auf ihre Hände in ihrem Schoß und liefert mir dann eine fadenscheinige Ausrede. Von wegen, sie habe eben einen Joghurt und eine Banane gegessen.

Das ist doch kein richtiges Essen!

Ich bemühe mich nach Kräften, meine Wut zu zügeln.

»Und die letzte richtige Mahlzeit?«, hake ich nach. Doch sie ignoriert meine Frage und schaut wortlos aus dem Fenster. Als ­Taylor losfährt, winkt Ana dem Arschloch zu, das ihr aus dem ­Gebäude gefolgt ist.

»Wer ist das?«

»Mein Chef.«

Das also ist Jack Hyde. Ich erinnere mich an die Personalakte, die ich heute Morgen durchgegangen bin: stammt aus ­Detroit, Princeton-Stipendium, hat sich in einem New Yorker Verlag hochgearbeitet, ist alle paar Jahre weitergezogen, durchs ganze Land. Seine Assistentinnen behält er nie länger als drei Monate. Ich habe ein Auge auf ihn. Welch wird mehr über ihn herausfinden.

Konzentrier dich auf das, was jetzt ansteht, Grey.

»Und? Deine letzte Mahlzeit?«

»Christian, das geht dich wirklich nichts an«, flüstert sie.

»Alles, was mit dir zu tun hat, geht mich etwas an. Antworte mir.« Schreib mich nicht ab, Anastasia. Bitte.

Ich bin also tatsächlich nur das Taxi.

Sie stöhnt frustriert auf und verdreht die Augen, nur um mich zu ärgern. Da sehe ich es – das kleine Lächeln, das ihre Mundwinkel umspielt. Sie strengt sich an, nicht zu lachen. Nicht über mich zu lachen. Nach all meinem Kummer ist das so erfrischend, dass mein Zorn nachlässt. Typisch Ana. Ich...