Das Spiel der Könige - Historischer Roman

von: Rebecca Gablé

Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, 2011

ISBN: 9783838709468 , 1196 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: DRM

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Preis: 11,99 EUR

Mehr zum Inhalt

Das Spiel der Könige - Historischer Roman


 

"Ärmelkanal, April 1483 (S. 965-966)

»Englische Karacke backbord voraus!«, rief der Ausguck. Seine Stimme schien der einzige Laut auf der Welt zu sein. Es hörte nie auf, Julian zu faszinieren, wie still der Tagesanbruch auf See sein konnte. Er trat an die Reling des Vordecks und spähte in die gewiesene Richtung. Die aufgehende Sonne schien ihm von links ins Gesicht, war jedoch hinter einem dünnen Wolkenschleier verborgen, der harmlos aussah, indes nichts Gutes für den späteren Tag verhieß. Das zarte, messingfarbene Licht glitzerte auf den Wellen, dennoch konnte Julian das viereckige Hauptsegel mit dem breiten roten Georgs-Kreuz darauf erkennen.

»Oh, Edward«, murmelte er und sog genießerisch die salzige Morgenluft ein. »Wie anständig von dir, deine Flotte so unübersehbar zu kennzeichnen …« Systematisch suchte er das Meer nach weiteren Schiffen ab. Aber nichts war zu entdecken. Bis auf die Edmund und die königliche Karacke war die See wie leergefegt. Julian wandte den Kopf. »Master Lydd. Mars- und Focksegel setzen, Drehbrassen backbord klarmachen, Lancaster-Flagge hissen.« »Aye, Captain.« Der Bootsmann beugte sich über die Reling nach mittschiffs und gab die Befehle weiter. Er brüllte nicht lauter als nötig. Auch wenn die Karacke noch weit entfernt war, wusste er doch, wie Stimmen auf der stillen See tragen konnten. Schnell und diszipliniert machten die Matrosen der Frühwache sich an die Arbeit.

Zwei erklommen die Leiter zum Vordeck, um das Focksegel zu setzen, dessen kurzer Mast von hier aus erreichbar war. Sechs Mann kletterten in die Takelage und setzten über dem Großsegel das kleinere Marssegel. Vier Matrosen luden die beiden drehbaren Kanonen an der Backbordreling und richteten sie aus, und Edmund enterte mit der Flagge unter dem Arm auf, um das stolze Banner mit der roten Rose zu hissen. Julian sah ihm mit sorgsam verborgenem Stolz nach. Der Siebzehnjährige kletterte mit dem Geschick und der Unbekümmertheit einer Katze. Julian machte sich keine Sorgen um die Knochen seines Sohnes.

Es sah gefährlicher aus, als es war, wusste er, denn er selbst hatte das ungezählte Male getan. Nachdem Fortuna und die Yorkisten einen Seemann aus ihm gemacht hatten, hatte er das Matrosenhandwerk von der Pike auf gelernt. Er verließ das Vordeck und ging nach mittschiffs, wo Lucas Durham am Ruder stand. »Sobald wir sie eingeholt haben, schneidest du ihnen den Weg ab, und wenn sie manövrierunfähig sind, drehen wir bei.« »Aye, Captain«, sagte Lucas in einer gekonnten Imitation des Bootsmanns. »Ich hoffe, sie schießen uns nicht zu Klump, wenn sie merken, dass wir aufholen.« Julian grinste flüchtig. »Sei unbesorgt. Sie haben keine beweglichen Geschütze wie wir, sondern nur ihre Backbordund Steuerbordkanonen. Edward hat beim Bau seiner Schiffe mehr an die Einnahme französischer Hafenstädte denn an lancastrianische Piraten gedacht.« »Ich dachte, wir sind keine Piraten«, brummte Lucas. Das Wort bereitete ihm Unbehagen."