Mordmethoden - Neue spektakuläre Kriminalfälle - erzählt vom bekanntesten Kriminalbiologen der Welt

von: Mark Benecke

Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, 2011

ISBN: 9783838706474 , 352 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: DRM

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Preis: 9,99 EUR

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Mordmethoden - Neue spektakuläre Kriminalfälle - erzählt vom bekanntesten Kriminalbiologen der Welt


 

3. KAPITEL:ZUFALL, ZAHLEN UND ZEUGEN (S. 87-88)

Der vorige Abschnitt hat gezeigt, dass Menschen und Techniken zwar irren können, die Ermittlungen zuletzt aber trotzdem zum Ziel führen. Dafür gibt es viele Gründe; einer davon heißt kriminalistischer Instinkt, ein anderer Kommissar Zufall. Naturwissenschaftlern wird meist unwohl, wenn es um diese unkontrollierbaren Ermittlungshilfen geht. Besonders schlauen oder dummen Tätern ist aber anders oft nicht beizukommen. Bei Erpressungen und Entführungen mit Lösegeldforderung zeigt sich das besonders deutlich. Beide Verbrechensarten zwingen den Täter, Teile seines Charakters offen zu legen, denn er muss Forderungen stellen und einen Übergabeplan austüfteln. Bei Entführungen kommt es nicht nur darauf an, dem Täter auf die Spur zu kommen, sondern vor allem auch, das Opfer so schnell wie möglich zu befreien.

Der Druck auf die Ermittler ist deshalb besonders groß. Im besten Fall gelingt beides: Täter und Opfer zu finden. Einige Fälle sollen zeigen, dass selbst fortschrittliche Kriminaltechniken gelegentlich nichts, Intuition und Zufall aber umso mehr dazu beitragen können.

Der verheiratete Dekorateur


»Als wir ihn zur Vernehmung baten«, erinnert sich Kriminalobermeister Anton Kimmel aus Karlsruhe, »dekorierte er gerade das Schaufenster eines Modehauses. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn, ließ sich zur Dienststelle fahren und erbleichte: Die Kriminalpolizei verdächtigte ihn der versuchten Erpressung.

Doch als er sich vom ersten Schrecken erholt hatte, reagierte er genau so, wie es von einem unbescholtenen Bürger zu erwarten war: Er wusste von nichts.« Ganz so unschuldig, wie er sich gab, konnte der Dekorateur allerdings nicht sein. Seit längerem hatte die Polizei ein Auge auf ihn geworfen und Erstaunliches herausgefunden. Ende Juli 1961, eineinhalb Jahre vor der geschilderten Szene, fand eine reiche Witwe unschöne Post im Briefkasten. Sie solle zwischen dem 8. und 9. August an einem bestimmten Eckpfeiler des Gartenzauns 10 000 Mark (5112,92 Euro), in eine Plastiktüte gewickelt, ablegen. Zehntausend Mark war viel Geld in einer Zeit, in der arbeitende Menschen ihren Lohn noch lieber in den Bau eines Häuschens anstatt in Aktien und Fonds steckten.

Der Übergabeort war stilecht ausgesucht: Er lag in der Nähe eines Friedhofs. Das wiederum passte zur Drohung, die der Brief enthielt: Wenn das Geldpaket nicht pünktlich auftauche, riskiere die Leserin, »verstümmelt aufgefunden« zu werden. Gleich am 8. August legte die Erpresste das Geld mittags an besagter Zaunecke ab. Elf Stunden später schlich sich ein junger Mann an die Stelle. Er streifte an der vermuteten Ablagestelle mit den Händen durchs Gras, zog aber ohne das Geld wieder ab: Die Witwe hatte aus Versehen die falsche Stelle des Zauns gewählt. Die observierenden Polizisten staunten nicht schlecht, als der Mann, so schnell wie er gekommen war, wieder in ein nahe gelegenes Wohnhaus verschwand.