Verlieb dich nie in deinen Chef

Verlieb dich nie in deinen Chef

von: Cathy Williams

CORA Verlag, 2010

ISBN: 9783942031967 , 144 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: DRM

Windows PC,Mac OSX für alle DRM-fähigen eReader Apple iPad, Android Tablet PC's Apple iPod touch, iPhone und Android Smartphones

Preis: 2,49 EUR

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Mehr zum Inhalt

Verlieb dich nie in deinen Chef


 

1. KAPITEL

 

Natürlich war Leo klar, was seine Mutter eigentlich sagen wollte, als sie zart andeutete, sie wäre froh gewesen, ihn schon etwas früher zu sehen. Viel früher, hatte sie gemeint. Stunden früher, um genau zu sein. Aber natürlich hütete sie sich, auch nur den geringsten Hauch eines Vorwurfs in ihrer Stimme mitschwingen zu lassen. Ohne ihre Enttäuschung zu zeigen, nahm sie seine Erklärungen zur Kenntnis.

Wie immer war es für Leo schwierig genug gewesen, überhaupt aus dem Büro wegzukommen. Ein Meeting hatte sich endlos hingezogen, und gerade im letzten Moment kam noch ein wichtiger Anruf. Und dann der Wochenendverkehr! Der Höflichkeit halber entschuldigte er sich dafür.

„Daniel ist kurz zu Heather rübergelaufen. Es ist das Haus gleich auf der anderen Seite der Felder. Willst du ihn abholen? Du kannst natürlich auch warten. Ich habe Heather gesagt, er soll spätestens um sieben wieder da sein.“

„Ein Spaziergang wird mir guttun.“ Als viel beschäftigter Geschäftsmann hatte er normalerweise keine Zeit für derartige Vergnügungen, aber ihm fehlte die Geduld, auf Daniels Rückkehr zu warten.

Und so machte er sich auf den Weg. Zum ersten Mal streifte er auf dem riesigen Gelände des Anwesens herum. Vor sechs Jahren hatte er es nach dem Tod seines Vaters für seine Mutter gekauft.

Normalerweise beschränkte er sich auf den kurzen Weg vom Auto durch den gepflegten Garten zum Haus. Obwohl er natürlich wusste, dass riesige Ländereien zum Anwesen gehörten. Felder und Wiesen, so weit das Auge reichte. Und sogar ein dicht bewachsenes Waldgebiet, in dem im Sommer Lavendel seinen berauschenden Duft verströmte. Schließlich hatte er die Prospekte des Maklers, den er mit der Häusersuche beauftragt hatte, damals aufmerksam gelesen. Und es war ihm sehr wichtig gewesen, ein Haus in einer Gegend zu finden, in der keine gierigen Immobilienhaie einen Betonklotz nach dem anderen hochziehen würden.

Mit seinen exklusiven Lederschuhen und dem hellgrauen Maßanzug war er zwar für einen Landspaziergang nicht gerade passend angezogen, trotzdem beglückwünschte er sich zu der Weitsicht, die Ländereien erworben zu haben. Seine Mutter würde hier noch viele unbekannte Wanderwege entdecken können.

Ehrlich gesagt wusste er gar nicht, was seine Mutter den lieben langen Tag so anstellte. Er rief sie zwar pflichtschuldig zwei- bis dreimal in der Woche an – sogar noch öfter, seit Daniel bei ihr wohnte –, aber ihre Unterhaltung erschöpfte sich normalerweise im Austausch von Floskeln. Ihr gehe es gut, Daniel gehe es gut. Und mit dem Haus sei alles in Ordnung. Überhaupt – alles sei in Ordnung. Wenn er versuchte, mit Daniel zu telefonieren, verlief das ganz ähnlich, nur mit einem deutlich feindseligeren Unterton. Nie enthielten diese Gespräche Einzelheiten aus dem täglichen Leben, und so konnte Leo auch nicht beurteilen, ob seine Mutter wusste, wie weit entfernt Heathers Haus tatsächlich lag.

Er verfluchte seinen Impuls, zu Fuß zu gehen. Wie bin ich nur auf die Idee gekommen, die frische Luft würde mir guttun, dachte er erbittert, während er sich einen Weg durch einige Sträucher bahnte. Außerdem war es viel zu warm für den Anzug. Aber was wusste er schon von Aufenthalten in der Natur bei sommerlichen Temperaturen. Bis auf ein paar Kurzurlaube, die er dann auch noch mit Arbeit im Hotelzimmer verbrachte, kam er ja nie aus dem Büro heraus. Und um sich fit zu halten, besuchte er in London ein Sportstudio. Dort schlug er dann auf einen Sandsack ein oder reagierte sich in einem Schwimmbecken olympischen Ausmaßes ab. Nein, man konnte ihm wirklich nicht vorhalten, dass er sich zu wenig bewegte. Allerdings waren bei dieser Landpartie wohl ganz andere Qualitäten gefordert. Hätte ich nur mein Handy dabei, dann könnte ich wenigstens ein paar Telefonate erledigen, dachte er wütend.

Heathers Haus sei gar nicht zu verfehlen, hatte ihm seine Mutter versichert. Es sei ein idyllisches kleines Cottage inmitten eines prachtvollen Gartens. Ein Lächeln war über ihr Gesicht gehuscht, als sie davon erzählte, und Leo fragte sich, ob diese Heather eine der Damen aus dem Dorf war, mit denen sich seine Mutter ab und zu zum Tee traf.

Irgendwie beruhigte dieser Gedanke ihn. Er hatte doch gelegentlich ein schlechtes Gewissen, weil er sich zu wenig um seine Mutter und seinen Sohn kümmerte. Umso mehr entlastete es ihn, dass die zwei offensichtlich in der Nachbarschaft Anschluss gefunden hatten.

Seine Mutter hatte recht gehabt, das Cottage war wirklich nicht zu übersehen. „Geh einfach Richtung Westen“, hatte sie gesagt. „Das Haus, das aussieht, als sei es einem Märchenbuch entstiegen, das ist es.“ Und genau so wirkte es auch. Leo wusste gar nicht, dass es so viele verschiedene Blumen gab. Überrascht blieb er stehen und betrachtete einen Augenblick lang die üppige, farbenfrohe Pracht.

Er ging den weißen Lattenzaun entlang zur Vorderfront des Hauses, an der Kletterrosen emporrankten. Mein Gott, dachte er ironisch, da hat sich aber jemand Mühe gegeben, jedes auch nur denkbare Klischee umzusetzen. Fast erwartete er, unter den Stauden Gartenzwerge hervorlugen zu sehen, was ihm jedoch zu seiner grenzenlosen Erleichterung erspart blieb.

Er selbst war Verfechter eines strikten Minimalismus. Reduktion bis zum Äußersten. In seinem Londoner Penthouse war alles auf Leder, Chrom und Glas beschränkt. „Weniger ist mehr“ war sein Credo. Ein paar abstrakte Gemälde an den weißen Wänden waren schon das äußerste Zugeständnis. Und das auch mehr aus Investitionsgründen als zur Dekoration.

Argwöhnisch blickte Leo auf den Türklopfer, der anscheinend irgendein Fabelwesen darstellte. Dann betätigte er ihn mit energischem Schwung. Man weiß bei älteren Damen ja nie, ob sie nicht vielleicht schwerhörig sind, dachte er.

Durch die dicke Holztür drang gedämpftes Lachen, dann hörte er leichtfüßige Schritte näher kommen. Die Tür wurde aufgerissen, und Leo blickte in die blauesten Augen, die er jemals gesehen hatte. Ein ungebändigter Schopf goldblonder Locken umgab ein herzförmiges Gesicht. Leos Blick schweifte über einen üppigen, kurvenreichen Körper, nach Londoner Standards eigentlich etwas zu üppig.

„Wer sind Sie denn?“, fragte er konsterniert.

„Und Sie? Sie müssen Daniels Vater sein!“ Heather trat einen Schritt beiseite, um ihn eintreten zu lassen. Unwillkürlich hatte sich eine leichte Missbilligung in ihre Stimme geschlichen. Leo, dem das nicht entgangen war, hob befremdet die Brauen.

„Und Sie sind Heather? Ich hatte jemand etwas … gesetzteren Alters erwartet.“

Heather lag eine schnippische Antwort auf der Zunge. Etwas wie: Er hingegen entspräche genau dem Bild, das sie sich von ihm gemacht hatte. Ihre Nachbarin Katherine hatte ihr ausführlich von ihm erzählt, von seiner steilen Karriere in London. Zwischen den Zeilen schwang jedoch mit, dass er ein Workaholic war. Jemand, der vom Ehrgeiz besessen war, ganz an die Spitze zu kommen. Der keine Zeit hatte für die Dinge des Lebens, die eigentlich wertvoll waren. Kurz: ein miserabler Sohn und ein noch weitaus schlechterer Vater.

Und so, von Angesicht zu Angesicht, entsprach er haargenau dem Bild des erfolgreichen Geschäftsmannes, das sie sich von ihm gemacht hatte.

Darüber hinaus war er allerdings auch noch extrem gut aussehend – was ihre negative Meinung leicht relativierte. Weit besser aussehend, als den unscharfen Schwarzweißfotos zu entnehmen war, die Katherine ihr gezeigt hatte. Um genau zu sein – dieser Mann war einfach umwerfend. Tiefschwarzes Haar, ein markantes, wie gemeißelt wirkendes Gesicht. Graue Augen, in denen einerseits eine unglaubliche Intensität lag, die jedoch andererseits undurchdringlich wirkten. Einen Augenblick lang starrte Heather ihn fasziniert an. Dann riss sie sich jedoch zusammen, und der vor Spannung knisternde Moment war vorbei. Erneut flackerte in Heather eine Aversion gegen den Besucher auf.

Sie wusste, dass sie ungerecht war. Es war eigentlich nicht ihre Art, Vorurteile zu hegen. Sie wollte Menschen nicht nach dem Äußeren beurteilen, aber in der Vergangenheit hatte sie unerquickliche Erfahrungen mit solchen Karrieretypen gemacht. Und wie sagte man so schön? Gebranntes Kind scheut das Feuer.

„Ich wollte meinen Sohn abholen.“ Leo warf einen flüchtigen Blick auf den schmalen Flur mit den antiken Bodenfliesen und den Blumenvasen auf den Fenstersimsen, dann blickte er wieder Heather an, die immer noch in der Tür stand.

Es war ein heißer Sommertag, und sie trug ein weites luftiges Kleid, das entfernt an die Zeit der Blumenkinder erinnerte. Außerdem verriet ihre Miene, dass sie etwas auf dem Herzen hatte, was sie loswerden wollte. Es schien nichts Angenehmes zu sein. Leo konnte sich schon denken, worum es ging. Und er hatte nicht die geringste Lust, es zu hören.

„Er isst nur gerade noch auf.“

„Er macht was?“

„Er isst.“

„Warum das denn? Ich habe doch extra Bescheid gegeben, dass ich mit den beiden essen gehen würde.“

„Tja, wahrscheinlich hat er Hunger gehabt.“ Die Wahrheit war, dass Daniel sich schlichtweg geweigert hatte, mit seinem Vater essen zu gehen.

„Na, vielen Dank! Hätten Sie sich nicht erkundigen können, ob wir vielleicht was vorhaben?“

Das reichte. Wortlos ging Heather in die Küche und sagte Daniel, sein Vater sei da, um ihn abzuholen, was der Junge jedoch mit einem unwilligen Achselzucken quittierte. Prompt ging sie wieder hinaus, zog die Tür hinter sich zu und...