Julia Collection Band 23 - Das Glück wartet auf Pelican Cay

Julia Collection Band 23 - Das Glück wartet auf Pelican Cay

von: Anne McAllister

CORA Verlag, 2010

ISBN: 9783942031905 , 384 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: DRM

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Preis: 4,99 EUR

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Julia Collection Band 23 - Das Glück wartet auf Pelican Cay


 

1. KAPITEL

Manche behaupteten, es sei ein Kunstwerk – Lachlan McGillivray war da anderer Meinung.

Für ihn war das Ding dort unten am Strand, direkt vor seinem exklusiven Hotel Moonstone Inn, ein Albtraum – einen anderen Namen gab es nicht für diese drei Meter hohe Missgeburt aus Treibholz und allem, was das Meer sonst noch an den traumhaft schönen rosa Sandstrand von Pelican Cay spülte.

Die Presse war natürlich begeistert. „Erfrischend innovativ“ hieß es in einem Artikel der Nassauer Tageszeitung. „Außergewöhnlich und kreativ“ schwärmte ein Blatt aus Freeport. „Neu und stimulierend“ behauptete der Kunstkritiker einer weit verbreiteten Tageszeitung in Florida.

Lachlan war felsenfest davon überzeugt, dass Fiona Dunbar ihm mit ihrem sogenannten Kunstwerk lediglich eins auswischen wollte.

Es war auch nicht das erste Mal: Seit dem Tag, an dem die McGillivrays auf der kleinen Insel, die zu den Bahamas gehörte, angekommen waren, hatte sie es auf ihn abgesehen.

Damals war Lachlan fünfzehn Jahre alt gewesen, und alles, was ihm in seinem jungen Leben vorschwebte, war, im heimatlichen Virginia Fußball zu spielen und mit hübschen kleinen Blondinen auszugehen. Die Entscheidung seines Vaters, die Familie auf eine abgelegene Insel in der Karibik zu verpflanzen, um dort als Arzt zu praktizieren und gleichzeitig sein Fernweh zu stillen, hatte ihn hart getroffen. Ganz im Gegensatz zu seinen Geschwistern: Der zwei Jahre jüngere Hugh und die neunjährige Molly waren von dem Umzug begeistert gewesen.

„Was gibt’s hier schon zu tun?“, hatte Lachlan missmutig gefragt.

Worauf sein Vater den kilometerlangen leeren Sandstrand, das türkisblaue Meer und die sanften Hügel mit den pastellfarbenen Häusern, die dreihundertfünfzig Jahre alte rostige Kanone und den überwucherten Kricketrasen betrachtete und zufrieden aufseufzte. „Genau so habe ich es mir vorgestellt.“

Damals hatte Lachlan seinen Vater nicht verstanden, für ihn war die Insel der langweiligste Platz auf Erden, und er machte keinen Hehl daraus.

„Dann geh doch“, sagte die rothaarige Fiona Dunbar und streckte ihm die Zunge heraus. Fiona war Mollys Freundin und wie diese neun Jahre alt.

„Das würde ich mit dem größten Vergnügen, aber leider kann ich nicht.“

Er musste bis nach seinem achtzehnten Geburtstag warten, bevor er in die Staaten zurückkehren konnte, um vier Jahre lang an der Universität von Virginia zu studieren. Während dieser Zeit besuchte er seine Eltern ab und zu auf Pelican Cay. Dann, als er sein Studium beendet hatte, ging er nach Europa, wo er in England, Spanien und Italien Fußball spielte. Er ließ sich kaum noch auf der Insel blicken, und wenn er tatsächlich einmal kam, dann nur, um Angehörigen und Freunden vom aufregenden Leben eines Fußballprofis in der Alten Welt zu berichten.

Aber mit den Jahren kehrten seine Gedanken seltsamerweise immer öfter zu der kleinen Insel zurück. Wenn ihn in London, Madrid oder Mailand die Spatzen in aller Frühe mit ihrem Gezänk aufweckten, erinnerte er sich an den Gesang tropischer Vögel und das Wispern von Palmen in der Morgenbrise. Je hektischer sein Leben wurde, umso sehnsüchtiger dachte er an den gemächlichen Rhythmus von Pelican Cay zurück. Und so gern er auch auf der Autobahn fuhr, sosehr er sich für europäische Kunst und Geschichte interessierte, Museen und alte Schlösser besuchte, sooft er auch in französischen Restaurants essen ging und spanische Weine trank – ab und zu vermisste er die einspurigen Straßen mit ihren Schlaglöchern, das kleine Inselmuseum und die leckeren Muschelkroketten zu einem eiskalten Bier.

Als Hugh vor zwei Jahren auf die Insel zurückgekommen war – die McGillivrays wohnten inzwischen wieder in Virginia –, um Fly Guy, ein Transportunternehmen für Charterflüge in der Karibik, zu starten, da dachte Lachlan, dass sein jüngerer Bruder die richtige Wahl getroffen habe.

„Ich glaube, so etwas mache ich auch“, sagte er. „Später, wenn ich pensioniert bin.“

Hugh zog die Augenbrauen hoch. „Du? Womit würdest du dich hier beschäftigen?“

Er selbst hatte nach dem Studium acht Jahre lang als Pilot bei der amerikanischen Kriegsmarine verbracht und danach der Armee, dem Drill und den Vorschriften auf immer Lebewohl gesagt. Hugh war ein Aussteigertyp und fühlte sich am wohlsten, wenn er mit einem kalten Bier in der Hängematte liegen und den Wellen zuschauen konnte.

Lachlan war anders. Als er zwölf Jahre alt war, beschloss er, später einmal „der beste Torwart aller Zeiten“ zu werden, und davon brachte ihn niemand mehr ab. Und obwohl seine Eltern diesen Plan kritisch beäugten, bewunderten sie insgeheim seine Beharrlichkeit – und natürlich seinen Erfolg.

Dreizehn Jahre lang war er einer der besten Torhüter auf der Welt, aber auch er konnte nicht ewig spielen. Als er sich im vergangenen Sommer mit vierunddreißig eine ernsthafte Knieverletzung zuzog, wusste er, dass seine Zeit abgelaufen war. Fußball war ein Sport für junge gesunde Männer. Seine Technik war so gut wie eh und je, aber seine Beweglichkeit nicht mehr die gleiche. Das bedeutete, dass er den Anforderungen eines Weltklassetorwarts nicht mehr gewachsen war, und in der zweiten Liga zu spielen kam für ihn nicht infrage. Er kannte nur einen Platz – und der war ganz oben.

Während der fetten Jahre hatte er sein Geld in Immobilien investiert, und nach einigen Überlegungen entschied er sich für die Karriere als Hotelier. Mit der ihm eigenen Zielstrebigkeit machte er sich daran, seine Pläne in die Tat umzusetzen, und erwarb als Erstes das Mirabelle, ein elegantes, kleines und bereits sehr erfolgreiches Hotel am andern Ende der Insel. Es war eine Entscheidung, die allgemein gebilligt wurde.

Bei seinem nächsten Kauf, dem heruntergekommenen Sand Dollar Hotel, schüttelte allerdings jeder den Kopf, allen voran sein Bruder Hugh.

„Was willst du mit dem alten Kasten anfangen?“, fragte er. Seiner Meinung nach war das achtzig Jahre alte Gebäude mit der eingefallenen Veranda und den Holzwänden, von denen die Farbe abblätterte, kaum mehr als eine Ruine.

„Ihn renovieren und zum besten Hotel in der Karibik machen“, erwiderte Lachlan, der vom Renovieren alter Häuser nicht die geringste Ahnung hatte. Aber das störte ihn nicht – er sah es als Ansporn, nicht als Hindernis. Er beauftragte eine Baufirma mit den Umbauten und lernte selbst so viel wie möglich, um mitarbeiten zu können.

Jetzt war das Moonstone Inn, wie er es nach der Fertigstellung getauft hatte, schon seit einem Jahr eröffnet und ging überraschend gut.

„Du wirst sehen, in ein paar Jahren ist es das Reiseziel Nummer eins auf den Bahamas“, versicherte er seinem Bruder. „Ich spreche natürlich von den anspruchsvollen Aktivtouristen, die genügend Sinn für die wahre Schönheit der Inseln haben.“

Hugh sah aus der Hängematte auf und grinste. „So wie du damals, nehme ich an.“

Lachlan ließ sich nicht beirren. „Ich bin sicher, das Moonstone wird eine Menge neue Besucher nach Pelican Cay bringen. Genau das Richtige, um die Wirtschaft anzukurbeln. Tourismus ist das A und O, mit Fischen allein ist es heutzutage nicht mehr getan.“

Hugh schloss die Augen und brummte etwas vom Eifer des Bekehrten – womit er natürlich nicht ganz unrecht hatte. Lachlan, der die Insel früher nie gemocht hatte, sah jetzt nur noch Vorzüge und Möglichkeiten.

Und ein drei Meter hohes Monster!

Er runzelte die Stirn. Seit er das letzte Mal genauer hingesehen hatte, schien sich das Ding verändert zu haben. Ein Arm, der noch nicht da gewesen war, ragte in die Luft, und an seinem Ende baumelte etwas, das er in dem dämmerigen Morgenlicht nicht erkennen konnte.

Mürrisch wandte er sich ab – es gab Dringenderes zu tun, als sich mit Fiona Dunbars „Kunstwerk“ zu befassen. Er war gestern von den Abacos im Norden der Bahamas zurückgekommen, wo seine neueste Erwerbung, das Sandpiper Inn, renoviert wurde. Auf dem Schreibtisch lagen Briefe zum Unterschreiben und die Post, die in seiner Abwesenheit eingegangen war.

Das letzte Schreiben, das er zur Hand nahm, kam von einem Reisemagazin und kündete den Besuch eines Journalisten an. Lachlan hatte vor mehreren Wochen verschiedene Zeitschriften und Reiseveranstalter eingeladen, das Moonstone zu besuchen, um sich an Ort und Stelle von seinen Vorzügen zu überzeugen. Zwei Zusagen waren bereits eingetroffen, eine davon von dem renommierten englischen Veranstalter Grantham Cultural Tours, dessen Besitzer seinen Besuch für diese Woche ankündigte. „Die Ruhe und zurückhaltende Eleganz, von der Sie sprechen, sind genau das, was wir für unsere Kunden suchen“, teilte er Lachlan in dem Antwortschreiben mit.

Zurückhaltende Eleganz – mit einer drei Meter hohen Vogelscheuche vor dem Eingang!

„Ruhig ist es, das Ding sagt keinen Ton“, hatte Hugh unbekümmert erwidert, als Lachlan ihm den Brief gezeigt hatte.

„Das ist auch nicht nötig, diese Geschmacklosigkeit schreit zum Himmel. Und als wäre das nicht genug, muss sie außerdem noch Dudelsack spielen.“

„Wer spielt Dudelsack?“

„Fiona. Wart’s nur ab“, fügte er hinzu, als Hugh ihn ungläubig ansah. Sie saßen auf der Hotelterrasse, um den Sonnenuntergang zu...