Entführt in den Palazzo des Prinzen

Entführt in den Palazzo des Prinzen

von: Raye Morgan

CORA Verlag, 2010

ISBN: 9783862950768 , 144 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: DRM

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Preis: 2,49 EUR

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Entführt in den Palazzo des Prinzen


 

1. KAPITEL

„Es wird ja immer schlimmer“, sagte Isabella Casali laut vor sich hin. Ihre Worte wurden jedoch von dem plötzlich aufkommenden Sturm verweht.

Was hatte sie sich da für eine Nacht ausgesucht, um auf dem Grund und Boden des Prinzen herumzulaufen! Als sie von zu Hause weggefahren war, hatte der Mond noch sein fahles Licht verbreitet, auch wenn vorbeiziehende Wolken ihn ab und zu verdunkelt hatten. Jetzt war der Himmel schwarz, und es war stockfinster.

„Wahrscheinlich gibt es ein Gewitter. Die Pechsträhne der letzten Zeit scheint sich fortzusetzen“, flüsterte sie, während ihr der Wind das dunkle gelockte Haar ins Gesicht blies.

Doch nachdem sie endlich all ihren Mut zusammengenommen und sich überwunden hatte, ihr Vorhaben in die Tat umzusetzen, wollte sie jetzt nicht aufgeben und die Aktion abbrechen.

Über den Palazzo und das Anwesen des Prinzen erzählte man sich Schauergeschichten, die sie bisher nicht geglaubt hatte. So sollte es angeblich hier von allen möglichen übernatürlichen Wesen wimmeln. Doch jetzt bekam auch sie eine Gänsehaut wie alle Leute vor ihr. Bei jedem Windstoß, jedem knackenden Zweig und beim Knarren der Bäume zuckte sie zusammen und sah sich ängstlich um.

„Pass auf, dass der Prinz dich nicht erwischt“, hatte Susa, die etwas altmodische Küchenchefin ihres Restaurants, sie gewarnt.

Isabella hatte nachsichtig gelächelt. Obwohl Susa ihr oft kluge Ratschläge erteilte, waren ihre Befürchtungen dieses Mal bestimmt unbegründet, dessen war Isabella sich sicher gewesen.

„Es wird behauptet, er durchstreife sein riesiges Anwesen nachts auf der Suche nach einer jungen Frau, die in den Wäldern umherirrt“, hatte Susa hinzugefügt.

„Oh Susa, bitte, das ist doch übertrieben. Dasselbe hat man in den letzten hundert Jahren jedem Prinzen angedichtet, der in diesem alten Schloss gelebt hat. Die Di Rossis haben schon immer sehr zurückgezogen gelebt, wie man sich erzählt. Wenn man sich nicht unter die Leute mischt und sich von allem und allen fernhält, erwirbt man sich ganz automatisch früher oder später einen zweifelhaften Ruf.“ Isabella hatte gespielt unbekümmert gelacht.

Jetzt wünschte sie, sie wäre zu Hause geblieben und hätte es sich mit einem guten Buch gemütlich gemacht.

„Das ganze Gerede entsteht doch nur, weil sie sich so zurückhalten“, hatte sie erklärt. „Ich wette, die Di Rossis sind in Wirklichkeit sehr nette Menschen.“

Susa zog die Augenbrauen hoch, was sie ziemlich überlegen wirken ließ. „Ich bin gespannt, wie nett du ihn findest, wenn er dich in seinen Kerker einsperrt.“

„Susa!“ Isabella war sowieso nicht wohl bei der Sache, und die Skepsis und Schwarzmalerei der älteren Frau machten das Ganze nicht gerade besser. „Außerdem hat mein Vater auch immer das Monta-Rosa-Basilikum gepflückt, das schon so lange unseren Gerichten diesen ganz besonderen Geschmack verleiht. Soweit ich weiß, ist er nie einem Mitglied der königlichen Familie begegnet. Also, ich glaube das ganze Gerede nicht.“

Ihr Vater Luca Casali hatte vor vielen Jahren die geradezu magischen Eigenschaften dieses feinen Gewürzkrauts entdeckt und damit sein einfaches italienisches Lokal in ein weithin berühmtes Feinschmeckerrestaurant verwandelt. Die Gäste kamen von überall her wegen der köstlichen Pasta und der besonderen Tomatensauce, die Lucas Spezialität war.

Das Rezept und der Name der speziellen Zutat, die nur an einem einzigen Hügel auf dem Grundbesitz des Prinzen in Monta Correnti wuchs und den Gerichten den besonderen Geschmack verlieh, blieben ein Familiengeheimnis.

Jahrelang hatte ihr Vater das Basilikum einmal im Monat selbst gepflückt. Doch jetzt war er krank, und es wurde ihm zu mühsam. Deshalb musste Isabella wohl oder übel diese Aufgabe übernehmen. Um das Risiko, entdeckt zu werden, zu verringern, beschloss sie, sich im Dunkeln auf den Weg zu machen. Natürlich war sie sehr nervös. Es war immerhin ihr erster Ausflug dieser Art, aber sie war auch zuversichtlich, dass sie es schaffte, denn ihr Vater hatte nie ein Problem damit gehabt.

Doch der plötzlich einsetzende Sturm, die schwarzen Wolken am Himmel und das drohende Gewitter änderten alles. Momentan kam ihr jedes schaurige Gerücht über den Palazzo und seine Bewohner sehr plausibel vor, und sie blickte sich immer wieder ängstlich um.

Bei dem Sonnenschein am Nachmittag hatte sie sich vorgestellt, es könne ganz interessant sein, dem Prinzen zu begegnen.

„Wie ist er eigentlich?“, fragte sie Susa. „Ich meine, wenn er nicht gerade junge Frauen in sein Schlafzimmer lockt“, scherzte sie.

Susa zuckte die Schultern. „Ich weiß nur, dass seine junge Frau vor einigen Jahren gestorben ist und er seitdem wie ein Einsiedler lebt.“

„Oh, wie traurig.“ Isabella hatte davon gehört, kannte jedoch keine Einzelheiten.

„Man erzählt sich, sie sei unter mysteriösen Umständen gestorben“, fügte Susa geheimnisvoll hinzu.

„Ist für dich nicht immer alles etwas mysteriös?“

Susa warf ihr einen überheblichen Blick zu und wandte sich ab. Isabella fiel ein, was ihre frühere Köchin Noni Braccini zu sagen pflegte, die ihr als ganz jungem Mädchen alles beigebracht hatte, was sie über die italienische Küche wusste.

„Von so einem Ort kommt nichts Gutes.“ Sie hatte in Richtung des alten Palazzos gewiesen und geflüstert: „Fledermäuse.“

Verblüfft sah Isabella sie an. „Fledermäuse?“

„Ja, du willst sie doch nicht in deinem Haar haben, oder?“

„Nein, ganz bestimmt nicht.“ Schaudernd war sich Isabella durch die wilden Locken gefahren.

Mehr wusste sie nicht über den Prinzen, außer natürlich, dass das für das Restaurant so wichtige Basilikum auf seinem Anwesen wuchs.

Noni Braccini war schon lange tot. Jetzt erzählte Susa an ihrer Stelle solche Gruselgeschichten.

„Als ich ein junges Mädchen war, wusste jeder, dass der damalige Prinz ein Vampir war“, behauptete sie, als Isabella zur Tür hinausgehen wollte.

„Wie bitte?“ Isabella musste laut lachen. „Susa, das ist doch verrückt.“

„Er war der Großvater des heutigen Prinzen.“ Die ältere Frau zuckte die Schultern. „Wir werden ja sehen, nicht wahr?“

Auf dem Weg zu ihrem Auto hatte Isabella immer noch gelacht, doch das Lachen war ihr mittlerweile vergangen. Susas Warnung und viele andere alte Geschichten, die sie früher einmal gehört hatte, gingen ihr durch den Kopf. Wenn sie während ihrer Kindheit bei einer Freundin übernachtete, hatten sie sich viele solcher Storys erzählt. Es ging dabei um Vampire, die nachts umherstreiften auf der Suche nach schönen Jungfrauen, und um Verführer mit dunklen funkelnden Augen, die unschuldige junge Mädchen in ihre luxuriösen Schlafzimmer lockten. Plötzlich hielt sie alles für möglich und bereute fast, dass sie sich ausgerechnet in dieser Nacht auf den Weg gemacht hatte. Doch dann ärgerte sie sich über ihre Ängstlichkeit.

Was konnte ihr schon passieren? Der Prinz war bestimmt nicht so boshaft und gefährlich, wie Susa ihn geschildert hatte. Ein einziges Mal hatte sie ihn als Teenager flüchtig von Weitem gesehen, bei einem Besuch in einem Thermalbad mehrere Autostunden von ihrem Ort entfernt. Eine Freundin hatte sie auf ihn aufmerksam gemacht, und damals hatte sie ihn für sehr attraktiv und ausgesprochen arrogant gehalten.

„Alle Mitglieder des Hochadels sind so hochnäsig“, erklärte ihre Begleiterin. „Sie glauben, sie seien etwas Besonderes. Man geht ihnen am besten aus dem Weg.“

Und daran hatte sich Isabella all die Jahre gehalten, bis heute. Je schneller sie hier fertig war, desto besser für sie.

Bald hatte sie den Abhang erreicht, den ihr Vater beschrieben hatte. Sie würde rasch die Leinentaschen, die sie mitgebracht hatte, mit dem Basilikum füllen und dann verschwinden. Allerdings hatte sie ein Problem: Der Schein der Taschenlampe reichte nicht weiter als eineinhalb Meter.

Auf einmal rutschte sie aus und wäre beinah gestürzt. Während sie sich bemühte, das Gleichgewicht zu bewahren, fiel ihr die Taschenlampe aus der Hand und rollte den Abhang hinunter in den Fluss.

Es fehlte nicht viel, und Isabella hätte laut geflucht, obwohl das sonst nicht ihr Stil war. Was für ein Desaster! Und was für eine verrückte Idee, mitten in der Nacht allein hierherzukommen.

„Auf solche Abenteuer dürfte ich mich gar nicht einlassen“, sagte sie leise vor sich hin, während sie versuchte, höher hinaufzuklettern. Die Angst, von irgendwelchen Wachleuten oder dem Prinzen selbst entdeckt zu werden, wurde immer größer.

Und als auf einmal das Gewitter losbrach, wollte sie nicht mehr ausschließen, dass hier wirklich nachts Vampire unterwegs waren.

Während der Wind durch die Wipfel der Bäume fuhr und Blitze den Himmel durchzuckten, sah sie sich besorgt um. Und dann befiel sie lähmendes Entsetzen, als sie die dunkle Gestalt bemerkte, die auf dem Pferd auf sie zugestürmt kam.

Plötzlich war ihr alles zu viel, die Dunkelheit, der Sturm, das Gewitter, die Gefahr, in der sie sich befand, und sie fing an zu schreien. Das Echo schien durch das Tal zu hallen, während um sie her Blitze zuckten und der Donner krachte.

Jede einzelne der vielen Schauergeschichten, die...