Küss mich, Playboy!

Küss mich, Playboy!

von: Sandra Marton

CORA Verlag, 2010

ISBN: 9783862950713 , 144 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: DRM

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Preis: 2,49 EUR

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Küss mich, Playboy!


 

1. KAPITEL

Raffaele Orsini hielt sich für einen Mann, der immer die Kontrolle behielt, und er war stolz darauf. Zweifelsohne war seine Fähigkeit, Gefühl und Verstand grundsätzlich getrennt zu halten, der Grund, warum er im Leben so weit gekommen war.

Rafe konnte die Bilanzen einer relativ kleinen Bank oder eines uninteressanten Betriebs studieren, und was er sah, waren nicht nur blanke Zahlen, sondern das Potenzial für die Zukunft – unter seiner fähigen Ägide und der seiner Brüder. Vor knapp fünf Jahren hatten sie „Orsini Investments“ gegründet und sich inzwischen einen Platz in den höchsten Ebenen der internationalen Finanzwelt gesichert.

In der Damenwelt waren sie schon immer erfolgreich gewesen.

Alle Brüder hatten das gute Aussehen ihrer Mutter geerbt, vom Vater den messerscharfen Intellekt. Die Eltern waren vor über vierzig Jahren von Sizilien in die Vereinigten Staaten gekommen. Anders als ihr Vater hatten die Brüder ihre Energien ausschließlich auf hundertprozentig legale Unternehmungen gerichtet. Dennoch war allen vieren eine manchmal geradezu gefährliche Risikobereitschaft zu eigen, die sowohl im Schlaf- als auch im Vorstandszimmer von Vorteil war.

Was sich heute wieder einmal bewiesen hatte, als Raffaele den Saudi-Prinzen beim Kauf der altehrwürdigen französischen Bank, die die Orsini-Brüder schon lange im Auge gehabt hatten, ausbooten konnte. Er, Dante, Falco und Nicolo hatten vor zwei Stunden auf den erfolgreichen Abschluss des Deals mit einem Drink angestoßen.

Ein perfekter Tag, mit den besten Aussichten auf einen perfekten Abend …

Hatte er geglaubt.

Rafe trat aus dem Apartmenthaus seiner Freundin – seiner Exfreundin! – auf die Straße und atmete tief die frische Herbstluft ein. Das Angebot des Portiers, ihm ein Taxi zu rufen, schlug er aus. Er musste sich unbedingt beruhigen. Vom Sutton Place bis zu seiner Wohnung auf der Fifth Avenue zu laufen, würde ihm nur guttun.

Was war das mit den Frauen? Wieso behaupteten sie am Anfang einer Affäre immer Dinge, die sie keineswegs so meinten?

„Mich interessiert nur meine Karriere“, hatte Ingrid mit diesem sexy deutschen Akzent geschnurrt, als sie zum ersten Mal zusammen im Bett gelegen hatten. „Solltest du also daran denken, dich fest zu binden, Rafe, hast du dir die falsche Frau ausgesucht.“

Die falsche Frau? Im Gegenteil! Er hatte keineswegs vor, sich zu binden. Ingrid war perfekt. Umwerfend, sexy, unabhängig …

Ja, klar.

Sein Handy klingelte. Rafe zog es hervor und schaute auf das Display. Dante. Er wollte jetzt wirklich nicht mit seinem Bruder reden. Die Szene dort oben in dem Apartment war noch zu frisch.

Ingrid, wie sie die Wohnungstür in einer Schürze öffnete, nicht in einem sexy-eleganten Kleid für die Dinnerverabredung. Eines von diesen Rüschendingern, die selbst seine Mutter nicht anfassen würde. Ingrid, die nicht nach Chanel roch, sondern nach Brathähnchen.

„Überraschung!“, hatte sie geträllert. „Ich koche heute Abend Dinner für uns.“

Hatte sie nicht behauptet, sie besäße keine hausfraulichen Qualitäten? Hatte sie sich nicht sogar lustig darüber gemacht?

Heute allerdings war sie mit den Fingerspitzen über seine Brust gewandert und hatte ihm zugeflötet: „Ich wette, du hast nicht gewusst, dass ich kochen kann, oder, Liebling?“

Bis auf das „Liebling“ hatte er diesen Satz schon öfter gehört. Und jedes Mal war ihm das Blut in den Adern zu Eis gefroren.

Was folgte, war vorauszusehen gewesen, vor allem ihre schrille Forderung, dass es Zeit wurde, ihre Beziehung auf die nächste Ebene zu führen. Und ihm war dann herausgerutscht: „Welche Beziehung?“

Noch immer hörte er das Klirren dessen, was auch immer sie ihm nachgeworfen hatte, als er ihre Wohnungstür hinter sich zuzog.

Wieder klingelte sein Mobiltelefon, unablässig, aufdringlich … bis er es schließlich fluchend aus der Jackentasche zog und in die Muschel bellte: „Was ist?“

„Dir auch einen wunderschönen Abend, Bruderherz.“

Er runzelte so böse die Stirn, dass die Frau, die ihm entgegenkam, erschrocken einen großen Bogen um ihn machte. „Mir steht im Moment nicht der Sinn nach dummen Spielchen, Dante.“

„Ist schon klar“, klang es belustigt vom anderen Ende. Dann räusperte Dante sich. „Probleme mit der Walküre?“

„Nein, wieso?“

„Umso besser. Ich würde nur ungern den Nachrichtenüberbringer spielen, wenn du und sie gerade …“

„Welche Nachricht?“

Dante seufzte schwer ins Telefon. „Befehl von oben. Morgen früh, acht Uhr. Unser alter Herr will uns sehen.“

„Du hast ihm hoffentlich gesagt, was er mit seinem Befehl machen kann.“

„Hey, ich bin nur der Bote. Außerdem hat mamma angerufen, nicht er.“

„Tut er wieder so, als läge er auf dem Sterbebett? Hast du mamma gesagt, dass er nicht sterben kann? Dafür ist er zu niederträchtig. Außerdem ist der Mann erst fünfundsechzig, nicht fünfundneunzig. Er hat noch Jahre vor sich.“

„Nein“, antwortete Dante nüchtern auf die Frage. „Würdest du ihr das sagen?“

Jetzt seufzte Raffaele. Die vier Brüder beteten ihre Mutter an, ihre Schwestern auch. Selbst wenn die dem alten Herrn scheinbar alles verziehen. Die Söhne hatten Cesare Orsini jedoch nichts vergeben. Ihnen war schon lange klar, was der Vater war. „Na schön, um acht. Ich treffe euch dann dort.“

„Nur du und ich, Rafe. Nick ist nach London unterwegs, hast du das vergessen? Und Falco fliegt morgen nach Athen.“

„Na großartig.“

Am anderen Ende blieb es eine Weile still. Dann: „Also ist es aus zwischen dir und der Walküre?“

Rafe dachte über mögliche Antworten nach. Die Spanne reichte von „Nein“ bis „Wie kommst du darauf?“. Schließlich zuckte er nur mit einer Schulter. „Sie meint, es wäre an der Zeit, unsere Beziehung neu zu definieren.“

Sein Bruder gab einen Kommentar ab, der Rafes finstere Laune verpuffen ließ. „Ich habe das perfekte Heilmittel für Neudefinitionen von Beziehungen.“

„So?“

„Ja, in einer halben Stunde treffe ich mich mit dem Rotschopf. Soll ich sie anrufen und fragen, ob sie vielleicht eine Freundin hat?“

„Von Frauen habe ich vorerst die Nase voll. Obwohl … heißt es nicht, man soll sofort wieder aufsitzen, wenn man aus dem Sattel gefallen ist?“

Dante lachte. „Ich rufe dich in zehn Minuten zurück.“

Der Rückruf erfolgte in nur fünf Minuten. Ja, der Rotschopf hatte eine Freundin. Die sich schon darauf freute, Rafe Orsini kennenzulernen.

Natürlich, dachte Rafe überheblich und winkte sich ein Taxi heran. Welche Frau würde ihn nicht gern kennenlernen?

Rafe verschlief am nächsten Morgen, duschte in aller Hektik, stieg in ausgewaschene Jeans, zog Pullover und Turnschuhe an und kam noch vor Dante beim Haus der Eltern an.

Cesare und Sofia lebten in einer riesigen Stadtvilla in Greenwich Village. Als Cesare das Haus vor vierzig Jahren kaufte, hatte die Gegend noch zu Little Italy gehört. Doch die Zeiten änderten sich. Jetzt erstrahlten die engen Straßen im Schick einer gehobenen Wohngegend.

Auch Cesare hatte sich verändert. Vom Handlanger in der Mafia war er zuerst zum capo aufgestiegen, dann zum don. Offiziell gehörten Cesare ein gut gehender Sanitärbetrieb und noch ein halbes Dutzend weiterer legitimer Gewerbe, sein wahres Arbeitsfeld jedoch würde er niemals offen zugeben, schon gar nicht vor seiner Frau, seinen Töchtern, seinen Söhnen.

Auf Rafes Klingeln hin zog Sofia die Haustür auf. Sie begrüßte den Sohn mit einer festen Umarmung und Küssen auf beide Wangen, so als hätte sie ihn seit Monaten nicht gesehen und nicht gerade noch vor vierzehn Tagen. Dann trat sie zurück und musterte ihn kritisch. „Du hast dich nicht rasiert.“

Er wurde doch tatsächlich rot. „Tut mir leid, madre. Ich wollte nicht zu spät kommen.“

„Setz dich“, ordnete sie an, sobald sie in der geräumigen Küche waren. „Frühstücke erst.“

Auf dem großen Eichentisch standen Schüsseln und Platten. Seiner Mutter zu sagen, dass er bereits sein übliches Frühstück gehabt hatte, nämlich eine Pampelmuse und schwarzen Kaffee, hätte nur eine Lektion über gesunde Ernährung zur Folge gehabt – auf typische Orsini-Art. Also setzte er sich gehorsam und nahm hiervon und davon ein wenig auf seinen Teller und aß.

Dante, der keine zwei Minuten später in die Küche schlenderte, wurde ebenfalls mit Küssen begrüßt und der Ermahnung, dass er dringend einen Haarschnitt brauche.

„Mangia“, ordnete Sofia an, und Dante, der von niemandem Befehle annahm, fügte sich lammfromm.

Die Brüder tranken ihren zweiten Espresso, als Felipe, der Mann, der Cesare seit Jahren treu ergeben war, in die Küche kam.

„Euer Vater will euch jetzt sehen.“

Beide Brüder standen auf, doch Felipe schüttelte den Kopf. „Einzeln, einer nach dem anderen. Raffaele zuerst.“

Rafe und Dante sahen einander an. „So ist das eben bei einem Imperator“, flüsterte Rafe mit einem schmalen Lächeln, sodass Sofia es nicht hören konnte.

Dante grinste. „Viel Spaß.“

Cesare saß in seinem Arbeitszimmer hinter dem mächtigen Schreibtisch. Das Zimmer war ein dunkler Raum mit schweren Möbeln, Madonnen- und Heiligenstatuetten...