Bleib bei mir, Gabriella

Bleib bei mir, Gabriella

von: Karen Rose Smith

CORA Verlag, 2010

ISBN: 9783862950690 , 144 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: DRM

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Preis: 1,49 EUR

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Bleib bei mir, Gabriella


 

1. KAPITEL

Plötzlich öffnete sich die Tür zur Bibliothek in der Familienvilla der McCords, und eine wunderschöne Frau mit schulterlangem, dunkelblonden Haar eilte herein – Gabriella McCord. Ihr Gesicht und ihre Figur waren auf der Titelseite jeder Modezeitschrift der westlichen Welt erschienen … und in den meisten Boulevardblättern.

Auch wenn er es niemals zugeben würde, hielt Rafael Balthazar die Luft an. Er hatte keine Lust, ein verwöhntes Supermodel zu beschützen, das mit einem goldenen Löffel im Mund geboren worden war! Aber als Sicherheitsberater von McCord Juwelers hatte er keine andere Wahl, schon gar nicht, nachdem Blake McCord ihn persönlich darum gebeten hatte.

In ihrem pfauenblauen, eng anliegenden Kleid mit darauf abgestimmten High Heels und bei jeder Bewegung schwingenden goldenen Ohrringen konnte Gabriella jeden Mann bezaubern. Nur Rafe nicht. Er stand nicht auf Diven.

„Tut mir leid, dass ich erst jetzt komme“, begann sie mit einem atemberaubenden Lächeln.

Ihre Blicken trafen sich, und einige Sekunden lang spürte er, wie seine Welt aus den Fugen geriet.

Rafe reagierte nicht.

„Mein Flugzeug hatte Verspätung“, erklärte sie. „Ich war nur kurz im Hotel und bin sofort hergefahren …“ Sie verstummte, als er keine Miene verzog und auch nicht zu ihr ging, um sie zu begrüßen.

Falls sie erwartete, dass er sich ihr zu Füßen warf, hatte sie sich geschnitten. „Miss McCord, ich bin Ihr Leibwächter. Mein Dienst beginnt heute Abend, sobald Sie in die Sky Towers zurückkehren. Blake hat mir versichert, dass ein Chauffeur Sie nach dem Geburtstagsessen für seine Mutter zum Hotel bringen wird. Ich erwarte Sie dort. Dann gehen wir Ihre Termine für die kommende Woche durch.“

Gabriella hob den Kopf und reckte ihr kleines, markantes Kinn vor. „Ich freue mich auch, Sie kennenzulernen, Mr. Balthazar. Übrigens brauche ich keinen Bodyguard. Das war Blakes Idee, nicht meine.“

Rafe blieb, wo er war. Zwischen ihnen musste es eine unüberwindbare Grenze geben. „Sie brauchen keinen Bodyguard?“, gab er mit leiser, beherrschter Stimme zurück. „Wie ich höre, hat sich bei Ihrer Ankunft am Flughafen eine unangenehme Szene abgespielt.“ Blake hatte ihm davon erzählt. Rafe hatte in Houston zu tun gehabt und war gerade noch rechtzeitig eingetroffen, um Gabriella vor Eleanor McCords Geburtstagsdiner kennenzulernen.

Ihre Wangen röteten sich leicht. „Irgendwie müssen die Paparazzi herausbekommen haben, wann ich lande, aber ich bin ihnen entwischt.“

„Offenbar wussten nicht nur die Paparazzi Bescheid. Es hat einen regelrechten Menschenauflauf gegeben. Zwei Dinge werden Sie lernen, solange ich Sie beschütze. Erstens, Sie werden ehrlich zu mir sein. Zweitens, Sie werden sich nicht unnötig in Gefahr bringen. Verstanden?“

Gabriellas goldbraune Augen blitzten. „Verstanden? Ich weiß, Sie waren mal Agent beim Secret Service, und zwar ein sehr guter. Das ist toll. Ich beglückwünsche Sie zu Ihrer Leistung. Aber ich lasse mir von Ihnen nicht vorschreiben, wohin ich gehe und was ich tue. Haben Sie mich verstanden?“

Sie war hübsch und selbstbewusst. Eine reizvolle Kombination. Aber eine, die er ignorieren musste. „Meine Aufgabe besteht darin, auf Sie aufzupassen.“

„Dann machen Sie Ihren Job. Als Sprecherin des Familienunternehmens trete ich dort auf, wohin Blake mich schickt. Da wird sich Publikum nicht vermeiden lassen. Außerdem habe ich ein paar eigene Termine und kann unmöglich vorhersehen, was passiert.“

„Zum Beispiel, dass ein Stalker Sie anspricht?“ Rafe wusste, dass so etwas im vergangenen Jahr geschehen war.

Gabriella wurde blass, fasste sich aber schnell wieder und lächelte erneut. „Keine Sorge. In letzter Zeit hat mir niemand nachgestellt. Und Sie brauchen sich nur wenige Wochen um mich zu kümmern. Ende August kehre ich für kurze Zeit nach Italien zurück. Wenn ich danach wieder in den USA bin, wird Blake einen anderen Bodyguard für mich gefunden haben, und Sie können sich wieder ganz auf die Sicherheit der Juweliergeschäfte konzentrieren.“

„Bis dahin müssen wir zusammenarbeiten.“

„Nein, Mr. Balthazar. Sie müssen einfach nur sicherstellen, dass die Fans mich nicht in Stücke reißen.“

Unwillkürlich dachte Rafe an das Foto, das im letzten Monat in einer Boulevardzeitung erschienen war. Die Paparazzi hatten ihr in einem Londoner Club aufgelauert. Beim Tanzen hatte sich der Verschluss ihres Designerkleids gelöst, und ein Fotograf hatte in genau dem Moment auf den Auslöser gedrückt, in dem das Oberteil fiel …

War das wirklich nur ein Missgeschick gewesen? Oder hatte jemand den Auftritt inszeniert, um für Publicity zu sorgen?

Diesmal wurde Gabriella rot, und Rafe wusste, dass auch sie an das Foto dachte. Abrupt wandte sie sich ab.

„Miss McCord …“

„Wir reden später weiter“, sagte sie leise. „Ich möchte meine Tante nicht warten lassen.“

Und dann war Gabriella McCord weg.

„Super gelaufen“, murmelte Rafe und fuhr sich durch das kurze schwarze Haar.

Die Frau war kein leichter Fall, aber er würde mit ihr fertigwerden. Er hatte schon den US-Präsidenten beschützt; da würde ein hübsches Model ihn nicht aus der Bahn werfen.

Nicht heute. Niemals.

Eine Stunde später, am riesigen Mahagonitisch im Speisezimmer der McCords, fragte Gabriella sich noch immer, warum sie so heftig auf Rafael Balthazar reagiert hatte. Es war erst einen Monat her, dass sie die Beziehung mit Mikolaus Kutras, die schlimmste ihres Lebens, hinter sich gebracht hatte. Zu einer neuen war sie auf keinen Fall bereit.

Und sie war nicht die Einzige, die an diesem Abend nicht sie selbst war. Auch die seit einem Jahr verwitwete Eleanor McCord, Gabbys Tante, Geburtstagskind und Gastgeberin der Familie, war ungewöhnlich still. Blake, Chef des Juwelenimperiums, machte ein finsteres Gesicht. Tate, der vor seinem Einsatz als Arzt in Bagdad ein fröhlicher Mensch gewesen war, trug ebenfalls eine nachdenkliche Miene zur Schau und schien die ganze Zeit vor sich hinzubrüten.

Neben ihm saß Paige, die immer wieder zu ihrem Bruder Blake hinüberschaute. Gabby fragte sich, was die beiden wussten. Paige war immer eine Draufgängerin gewesen. Als Geologin und Edelsteinexpertin reiste sie nach Afrika und Südamerika, um die unterirdischen Schönheiten an die Oberfläche zu holen. Penny, ihre Zwillingsschwester, war viel zurückhaltender. Sie entwarf die Schmuckstücke und hatte einige davon an europäische Königshäuser, Filmstars und Angehörige des internationalen Jetsets verkauft.

Charlie, der jüngste Bruder, saß rechts von Gabby. Er war einundzwanzig und würde in wenigen Wochen an die Southern Methodist University zurückkehren. Sonst war er ein äußerst umgänglicher Mensch, aber heute hatte er kaum zwei Worte gesprochen. Er und seine Mutter mieden jeden Blickkontakt. Die Spannungen am Tisch waren deutlich zu spüren, und Gabby war sicher, dass auch die anderen sie wahrnahmen.

Sie nahm einen Bissen von ihrem Tiramisu. „Das Dessert schmeckt wunderbar“, sagte sie zu Eleanor.

„Ja“, stimmte Blake ihr zu. „Ich wünsche dir zu deinem Geburtstag nur das Beste, Mom.“

Gabby war froh, dass er endlich sein Schweigen brach.

Aber dann wurde seine Stimme eisig. „Ich habe euch noch nichts gesagt, aber wahrscheinlich wisst ihr es längst. Unsere Gewinne sind eingebrochen. Angesichts der Wirtschaftskrise geben selbst unsere reichen Kunden weniger Geld aus. Und was die anderen betrifft … die meisten begnügen sich mit einem Blick in die Schaufenster oder Vitrinen, kaufen jedoch nichts.“

„Gilt das nur für die Geschäfte in den USA?“, fragte Eleanor.

„Die, für die Joseph in Italien zuständig ist, halten sich vorläufig ganz gut, aber ich will dafür sorgen, dass das auch so bleibt.“

Gabby war stolz auf ihren Vater, auch wenn sie ihn als Kind selten zu Gesicht bekommen hatte. Inzwischen hatten sie ein herzliches Verhältnis, und sie liebte es noch immer, mit ihm durch die Filialen in Florenz, Rom und Milan zu schlendern.

„Angesichts der Konkurrenz hat unsere Marke nicht mehr dasselbe Prestige wie früher“, fuhr Blake fort. „Daher müssen wir sofort etwas unternehmen.“

Eleanor sah betrübt aus. „Du meine Güte, Blake, wie schlimm steht es um uns?“

„Schlimm genug. Deshalb sage ich es euch heute Abend. Dad ist letztes Jahr gestorben. Ich habe seine Nachfolge angetreten und festgestellt, dass McCord’s in Schwierigkeiten steckt. Wenn es so weitergeht, müssen wir die Geschäfte in Atlanta und Houston, vielleicht sogar in Los Angeles schließen. Auch unser Flaggschiff hier in Dallas braucht einen Anschub. Daher müssen wir eine PR-Kampagne starten, um unsere Marke wieder ins Gespräch zu bringen.“

Er warf Paige einen Blick zu, und Gabby fragte sich, ob Blake mit seiner Schwester schon darüber gesprochen hatte. „Ich habe eine breit angelegte Kampagne entworfen. Ausgangspunkt ist das Wiederauftauchen des Santa-Magdalena-Diamanten.“

„Der Santa-Magdalena-Diamant ist seit über zwei Jahrhunderten verschwunden!“, warf Penny ein.

„Das stimmt.“

„Schatzsucher haben das Schiff, mit dem er damals untergegangen...