Überraschung im Südseeparadies

Überraschung im Südseeparadies

von: Raye Morgan

CORA Verlag, 2010

ISBN: 9783862950461 , 144 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: DRM

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Preis: 2,49 EUR

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Überraschung im Südseeparadies


 

1. KAPITEL

Marco Di Santo setzte sich auf den wackeligen Bambusstuhl und stützte lässig den Arm auf den kleinen Cafétisch. Der Passatwind machte die Nachmittagshitze etwas erträglicher. Trotzdem wettete er darauf, dass außer ihm niemand auf der Insel so verrückt war, bei diesem Wetter einen Anzug zu tragen.

War er geschäftlich hier, oder suchte er nach einer verlorenen Liebe? Vielleicht musste er sich endlich entscheiden und sich dementsprechend verhalten. Mit der freien Hand nahm Marco ein zerknittertes Foto aus der Tasche und strich es auf dem Tisch glatt. Nachdem er einmal tief durchgeatmet hatte, betrachtete er es wieder.

Obwohl er es sich schon so oft angesehen hatte, lief ihm jedes Mal ein prickelnder Schauer über den Rücken, wenn er in jene faszinierenden blauen Augen blickte – Augen, wie es sie nur auf den Covers von Science-Fiction-Büchern oder Plakaten von Fantasyfilmen geben konnte.

Der Schaltermitarbeiter am Flughafen von Kanaii hatte sie allerdings sofort wiedererkannt.

„Ja, das ist Shayna. Vielleicht finden Sie sie in Kimos Café. Sie arbeitet manchmal dort.“

Und genau da befand er sich jetzt und fragte sich, warum ihm nichts bekannt vorkam. Aus den Augenwinkeln sah er einen festen Po in weißen Shorts und lange, gebräunte Beine. Da er noch keinen Blickkontakt aufnehmen wollte, wandte er nur leicht den Kopf. Als Nächstes bemerkte er ein hauchdünnes Top, das volle Brüste betonte, welliges, fast schulterlanges blondes Haar und ein hübsches, fröhliches Gesicht. Er fluchte leise auf Italienisch und betrachtete dann wieder das Foto.

Ja, er hatte die Frau gefunden. Aber er hatte sie noch nie zuvor gesehen.

Wer zum Teufel mochte sie sein? Der Mann am Flughafen hatte sie Shayna genannt, also hieß sie vermutlich auch so. Mehr wusste er nicht über sie.

Marco steckte den Schnappschuss wieder in seine Hosentasche, bevor er sich zurücklehnte und den Blick über die Terrasse des trendig schäbigen Strandcafés schweifen ließ. Er würde warten, denn irgendwann musste sie zu ihm kommen.

Seltsam, dass er sich nicht an sie erinnern konnte. Er wusste überhaupt nichts mehr von dem zweiwöchigen Urlaub, den er hier auf den Traechelle-Inseln verbracht hatte. Und er hatte wirklich angestrengt nachgedacht – ohne Erfolg. Der Unfall –

oder etwas, das sich während seines Aufenthalts hier ereignet hatte – hatte bewirkt, dass sein Gehirn es ausblendete. Der Psychiater, der ihn nach seinem Krankenhausaufenthalt betreute, hatte es als selektive Amnesie bezeichnet.

„Wahrscheinlich setzt Ihr Erinnerungsvermögen nach und nach wieder ein“, hatte er gesagt und ihn dabei betrachtet, als wäre er eine Versuchsperson in einer klinischen Studie. „Interessanter Fall. Ich hoffe, Sie halten mich über Ihre Fortschritte auf dem Laufenden.“

Wenn die moderne Wissenschaft ihm nicht helfen konnte, musste er es wohl selbst tun. Jedenfalls machte es ihm ziemlich zu schaffen. Jene zwei Wochen erschienen ihm wie ein großes schwarzes Loch. Und das hinderte ihn daran, weiterzumachen wie bisher. Er wusste, dass er auf diese Insel geflogen war, aber nicht, was er hier gemacht und mit wem er seine Zeit verbracht hatte.

Ein zusätzliches Problem bestand darin, dass er einige wichtige Entwürfe vermisste, an denen er gearbeitet hatte. Hatte er sie auf der Insel zurückgelassen? Er musste es so schnell wie möglich in Erfahrung bringen und sie finden. Also war er zurückgekommen, in der Hoffnung, die Ereignisse jener zwei Wochen zu rekonstruieren.

Jetzt kam sie aus dem Café, ein Tablett mit bunten Cocktails in Händen. Er beobachtete, wie sie es auf einen Tisch, an dem Touristen saßen, stellte und die Gläser zu verteilen begann. Als jemand etwas zu ihr sagte, lachte sie schallend. Dabei warf sie den Kopf so zurück, dass die sanfte Brise ihr die blonden Locken ins Gesicht wehte. Marco hörte ihre Stimme, verstand allerdings nicht, was sie erwiderte, weil sie zu weit weg stand. Starr blickte er sie an und nahm für einen Moment sogar seine verspiegelte Pilotenbrille ab, um sie besser erkennen zu können. Eigentlich hätte der Klang ihrer Stimme etwas bei ihm auslösen müssen.

Doch es passierte nichts.

Erneut nahm Marco den Schnappschuss aus seiner Tasche, um ihn zu betrachten. Ja, es handelte sich um dieselbe Frau. Sie lachte genauso wie in diesem Moment, und er hatte ihr vertraulich den Arm um die Schultern gelegt. Als das Foto gemacht wurde, waren sie ein Liebespaar gewesen, daran bestand kein Zweifel. Allein diese Erkenntnis ließ heißes Verlangen in ihm aufflammen. Wie hatte er so etwas nur vergessen können?

Nun nahm sie das leere Tablett vom Tisch und sagte etwas zu den Touristen, das diese laut lachen ließ. Innerlich wappnete er sich für den Moment, in dem ihre Blicke sich begegnen würden. Wie würde sie wohl reagieren? Würde sie ihn erkennen? Ihn anlächeln und auf ihn zueilen, um ihn zu umarmen und zu küssen? Würde sie seinem Gedächtnis auf die Sprünge helfen?

Doch sie stand schon an einem anderen Tisch, um die Bestellung aufzunehmen. Noch würde er es nicht erfahren. Marco entspannte sich. Er konnte sie noch einen Moment beobachten.

Und das tat er gern, denn ihre Bewegungen waren anmutig, geschmeidig und auf eine gewisse Weise sehr sinnlich. Allein sie zu betrachten sprach seine männlichen Instinkte an.

Dennoch kam ihm nichts an ihr bekannt vor.

Er hatte angenommen, allein seine Rückkehr würde die Blockade lösen und die Erinnerungen wachrufen. Bisher war das allerdings nicht eingetreten. Nachdem er das Bild entdeckt hatte, war er sich sicher gewesen, dass es reichen würde, wenn er die Frau wiederfand. Eine Schönheit wie diese vergaß man schließlich nicht so leicht.

Marco beobachtete, wie sie sich einen Weg zwischen den Tischen hindurchbahnte. Gleich würde sie ihn bemerken. Der Augenblick der Wahrheit war gekommen.

Lächelnd drehte sie sich zu ihm um, wurde aber sofort ernst, sobald sie ihn sah. Ihre blauen Augen übten eine noch stärkere Anziehungskraft auf ihn aus als auf dem Foto. Jetzt verrieten sie jedoch Entsetzen und nahmen dann einen eisigen Ausdruck an. Schnell wandte sie sich ab und eilte davon.

Es dauerte einige Sekunden, bis ihm klar wurde, dass sie vor ihm floh. Damit hatte er nicht gerechnet. Er sprang auf, um ihr nachzulaufen, aber eine Gruppe junger Leute, die gerade aufgestanden und im Gehen begriffen war, versperrte ihm den Weg. Als er auf der Straße stand, war die Frau verschwunden. Vergeblich hielt er nach ihr Ausschau.

„Verdammt!“, fluchte er leise. Was sollte er jetzt machen?

Shayna Pierce blieb stehen, um tief durchzuatmen und ihren Motorroller zu betrachten. Zuerst hatte sie einfach losfahren wollen – in die Berge. Nur leider gab es hier keine Berge. Sie befand sich auf einer kleinen Insel, auf der sie sich nirgends verstecken konnte, selbst wenn sie es gewollt hätte.

Sie konnte natürlich bis zum Einbruch der Dunkelheit warten und dann mit ihrem Motorboot zu der kleinen Nachbarinsel Coco fahren, auf der sie sich in den letzten vier Wochen aufgehalten hatte. Aber was sollte sie bis dahin machen? Sich in diesem staubigen Schuppen verstecken? Wohl kaum.

Seufzend schob sie ihren Roller nach draußen. Sicher stand er auf der Straße und hielt nach ihr Ausschau. Dass er ihr nicht in den Schuppen gefolgt war, wunderte sie. Schließlich wusste er, wo sie das Fahrzeug abstellte, wenn sie in Kimo’s Café arbeitete. Erneut atmete sie tief durch, bevor sie nach draußen in den Sonnenschein trat.

Warum war er zurückgekehrt? Ein wahres Gefühlschaos tobte in ihr und machte sie schwindelig. Sie musste sich eingestehen, dass allein sein Anblick ihren Puls beschleunigte und es ihr schien, als würde sie in der Achterbahn sitzen. Was konnte man tun, wenn die Gefühle verrückt spielten?

Dagegen ankämpfen, das war alles. Weglaufen nützte allerdings nichts. Sie musste ihn konfrontieren und reinen Tisch machen. Nun, da er hier war, blieb ihr nichts anderes übrig. Leise seufzend stieß sie die Flügeltür auf und schob ihren Roller auf die Straße.

Dort stand er, die Augen mit der Hand beschattet, und sah in die falsche Richtung. Sobald sie den Motor anließ, wirbelte er zu ihr herum und blickte sie starr an. Sie setzte eine überhebliche Miene auf und stieg auf. Dann fuhr sie zu ihm und hielt neben ihm an.

„Steig auf“, sagte sie. „Wir müssen miteinander reden.“

Er nahm die Sonnenbrille ab, um ihr in die Augen zu sehen. Dabei schien es ihr, als würde er vergeblich nach etwas suchen. Sein Blick verriet keine Wärme, keinen Hinweis auf gemeinsame Erinnerungen und Intimitäten. Sie war frustriert. Offenbar verachtete er sie jetzt, hatte es wahrscheinlich schon von Anfang an getan. Allerdings beruhte dieses Gefühl in vieler Hinsicht auf Gegenseitigkeit.

Mach dir doch nichts vor, ermahnte Shayna sich. Allein bei seinem Anblick begann ihr Herz, wie wild zu pochen, und sie bekam weiche Knie. Mit dem markanten Profil und den dunklen, von langen dichten Wimpern gesäumten Augen sah er einfach umwerfend aus, ganz zu schweigen von seinem fantastischen Körper und den schönen Händen …

Nein! Schnell sah sie weg, sonst wurde sie womöglich noch ohnmächtig und fiel vom Roller.

„Komm“, forderte sie ihn ungeduldig auf. „Wir fahren zu mir. Dort können wir miteinander reden.“ Sie warf ihm einen...