Psychoonkologie. Eine Disziplin in der Entwicklung. (Jahrbuch der Medizinischen Psychologie, Band 22)

von: Elmar Brähler, Uwe Koch, Joachim B. Weis (Hrsg.)

Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, 2008

ISBN: 9783840920882 , 310 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: DRM

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Preis: 35,99 EUR

  • Introduction to Emergency Management
    Human Chorionic Gonadotropin (hCG)
    Statistical Signal Processing for Neuroscience and Neurotechnology
    Handbook of Assessment in Clinical Gerontology
    Essentials of Genomic and Personalized Medicine
    Forms for the Therapist
  • The Nobel Prize Winning Discoveries in Infectious Diseases - Nobel Prize Winning Discoveries in Infectious Diseases

     

     

     

     

     

     

     

     

 

Mehr zum Inhalt

Psychoonkologie. Eine Disziplin in der Entwicklung. (Jahrbuch der Medizinischen Psychologie, Band 22)


 

Patienten als Partner in der Onkologie – Chancen der Partizipativen Entscheidungsfindung (S. 131-132)
Katrin Reuter, Andreas Loh und Martin Härter

Zusammenfassung

Der Forderung nach mehr Patientenbeteiligung in der Medizin kann mit Partizipativer Entscheidungsfindung (PEF, engl: „shared decision making“, SDM) im Arztgespräch nachgekommen werden. Es handelt sich beim PEF-Ansatz um ein Modell für die Arzt-Patient- Kommunikation in medizinischen Entscheidungssituationen. Wenn zwei oder mehr im Wesentlichen gleichwertige Behandlungsmöglichkeiten vorliegen, für die jeweils Wirkungsnachweise bestehen, die aber unterschiedliche Vor- und Nachteile und dementsprechende Folgen für den Patienten haben, dann wird eine von Arzt und Patient gemeinsam getragene Behandlungsentscheidung zunehmend wichtig. Da dies in der Diagnostik und Therapie von Tumorerkrankung häufig der Fall ist und PEF die individuellen Patientenbedürfnisse hinsichtlich des Ausmaßes an Patientenbeteiligung mit einbezieht, spielt dieser Ansatz in der Onkologie eine wichtige Rolle. Das Konzept hat in den vergangenen Jahren eine Reihe von psychometrischen Forschungsarbeiten und Studien zur Umsetzung von PEF in der medizinischen Versorgung hervorgebracht. Der Schwerpunkt liegt dabei bisher international auf der Entwicklung von medizinischen Entscheidungshilfen (Decision Aids). Erste Studien haben auch mit Schulungen von Ärzten und Patienten in Partizipativer Entscheidungsfindung begonnen. Untersuchungen zu Effekten Partizipativer Entscheidungsfindung zeigen, dass Krebspatienten von der Vorgehensweise in verschiedenen Bereichen profitieren und mit der Kommunikation mit ihren Ärzten zufriedener sind. Ärzte bewerten PEF ebenfalls positiv und stufen das Modell als implementierbar in die tägliche Routine ein. Nach intensiven konzeptuellen Entwicklungen zu PEF in den vergangenen Jahren, wird es zukünftig insbesondere um die nachhaltige Vermittlung der dazugehörigen Kompetenzen an die Berufsgruppen in der medizinischen Versorgung und an Patienten gehen.

1. Einleitung

Dem Thema der Patientenbeteiligung bei medizinischen Entscheidungen kommt in den letzten Jahren in der gesundheitspolitischen Diskussion eine besondere Aufmerksamkeit zu. Die stärkere Berücksichtigung der Interessen und Bedürfnisse von Patienten sowie ihre Mitarbeit bei medizinischen Entscheidungsprozessen ist nicht nur eine Forderung der Politik, sondern auch der Patienten selbst. Von Leistungsträgern und von Seiten der Wissenschaft wird zunehmend eine aktive Partizipation von Patientinnen und Patienten bei Fragen der Gesundheitsversorgung propagiert (Härter, Loh &, Spies, 2005). In der praktischen Erfahrung wird allerdings deutlich, dass sich eine stärkere Patientenbeteiligung nicht alleine durch Gesetzesinitiativen und strukturelle Maßnahmen durchsetzen lässt. Die Umsetzung von Patientenbeteiligung erfolgt im direkten Gespräch zwischen Arzt und Patient und umfasst die Zusammenarbeit zwischen Arzt und Patient beim Herbeiführen individueller medizinischer Entscheidungen zu diagnostischen oder therapeutischen Maßnahmen. Auf dieser Ebene ansetzend entstand in den 90er Jahren, zunächst in Kanada und anschließend in Europa, das Konzept des Shared Decision Making (deutsche Übersetzung: Partizipative Entscheidungsfindung – PEF). Der PEF-Ansatz nimmt eine Mittelstellung zwischen der paternalistischen Vorgehensweise des Arztes, bei dem die Informations- und Entscheidungsmacht beim Arzt liegt, und dem Autonomiemodell, bei dem die Entscheidung in erster Linie beim Patienten liegt (Elwyn, Edwards &, Rhydderch, 2005), ein. Das Einbeziehen des Patienten bei medizinischen Entscheidungen folgt dabei einem klar erkennbaren Ablauf mit aufeinander aufbauenden Schritten im Gespräch zwischen Arzt und Patient.

Das PEF-Konzept wurde für chronische Erkrankungen entwickelt und erscheint für Tumorerkrankungen prädestiniert, da sich diese durch komplexe Behandlungsalternativen mit stark variablen Kurz- und Langzeitnebenwirkungen sowie bedeutsamen Auswirkungen auf die körperliche und psychische Lebensqualität der Patienten auszeichnen. Studien in der onkologischen Versorgung zeigen, dass sich ein Großteil der Patienten (87%) vom Arzt detaillierte Informationen über die eigene Erkrankung und Behandlung wünscht und bei der medizinischen Entscheidungsfindung von ihrem Arzt involviert werden möchten (44-67%) (Degner, Kristjanson, Bowman et al., 1997, Jenkins, Fallowfield &, Saul, 2001). Aus Berichten von Betroffenen geht hervor, dass die bisherige Zusammenarbeit mit Ärzten häufig nicht als „Teamwork“ gesehen wird. Sowohl von Patienten als auch von Behandlern wird daher heute im Bereich von Informationsvermittlung und Kommunikationskompetenz ein deutlicher Verbesserungsbedarf gesehen (Chapman &, Rush, 2003, Kleeberg, Tews, Ruprecht et al., 2005, Hack, Degner, Watson &, Sinha, 2006).