Der Versicherungsgedanke und seine historischen Grundlagen

von: Albert Schug, Stephan Meder

Vandenhoeck & Ruprecht Unipress, 2011

ISBN: 9783862346479 , 467 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: DRM

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Preis: 80,00 EUR

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Der Versicherungsgedanke und seine historischen Grundlagen


 

6. Kapitel: Neuzeit (S. 219-220)

I Gesellschafts- und Wirtschaftsformen


1. Gesellschaftsformen


Mit dem Beginn der Neuzeit ab dem Jahre 1500 war nicht automatisch eine Änderung sämtlicher gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Formen in den Staaten Europas verbunden. Vielmehr führten die seit dem Ende des 15. Jahrhunderts eingeleiteten Entdeckungen und Erfindungen und die gesellschaftlichen Änderungen zu einem Wandel in den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Strukturen. Daher greife ich in diesem Kapitel bereits solche im Abschnitt über das Mittelalter geprüften Versicherungsinstitute wieder auf, soweit sie in der Neuzeit Änderungen erfuhren. Zur Vermeidung von Wiederholungen beschränke ich mich hierbei jeweiligen veränderten Teil eines Versicherungsinstituts.

Das ausgehende Mittelalter war geprägt durch die Machtkämpfe der Königshäuser Englands, Frankreichs und der Fürsten Deutschlands, aus denen sich die endgültigen staatlichen Grenzen ergeben sollten. Dieser Prozess war erst mit dem Beginn des 19. Jahrhunderts in Europa abgeschlossen1. In der Renaissance formten sich die geistigen Grundlagen, die die Einbindung derMenschen in ihre gesellschaftlichen Gruppen aufhoben und das Individuum sahen. Verbunden war damit das Interesse an der Beobachtung des Menschen und den ihn umgebenden Kräften der Natur.

Das führte zur Lösung aus den überkommenen gesellschaftlichen und ethischen Normen und mündete durch die Tendenz zur Säkularisierung in Verbindung mit der Reformation in einen tief greifenden Wandel der Gesellschaft und der Wirtschaft2. Mit dem Vordringen des Protestantismus löste sich das wirtschaftliche Denken von der feudal geprägten naturalwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung der vorausgegangenen Jahrhunderte. Ausgehend von dem mittelalterlichchristlichen Gedanken des »ora et labora« nahmen die kaufmännischen und industriellen Tätigkeiten bald einen immer größeren Raum in der Gesellschaft ein.

Trotzdem blieb zunächst in Deutschland das Wirtschaftsdenken in der mittelalterlichen Wucherdiskussion über die Antimonopolfrage als Gegensatz zum kanonischen Zinsverbot befangen. Schließlich setzte sich im Rahmen der Verlagerung des wirtschaftlichen Schwerpunktes in den Nordwesten Europas (Holland, England) das kapitalistische Wirtschaftsdenken durch4. Ausgehend von der mittelalterlichen Vorstellung, dass sich das Individuum durch das gesellschaftliche Umfeld definiert, in das es eingebettet ist, war das Interesse der Lehre ausschließlich auf den Staat ausgerichtet5.

Dessen Verkörperung war der jeweilige Fürst, in dessen Händen sich die Staatsgewalt konzentrierte. Aus diesem Grundgedanken heraus nahm der Fürst6 für sich das Recht in Anspruch, im Interesse der Versorgung der staatlichen Institutionen unmittelbar in die Wirtschaft seines Herrschaftsbereiches einzugreifen. Dieser Prozess der Staatsbildung zog sich durch das gesamte 16. Jahrhundert bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts hin7. Mit dem Ende des 30-jährigen Krieges hatte sich in Europa das absolutistische Herrschaftssystem durchgesetzt.