Sisi - Leben und Legende einer Kaiserin

von: Karl Vocelka, Michaela Vocelka

Verlag C.H.Beck, 2014

ISBN: 9783406660900 , 130 Seiten

Format: PDF, ePUB, OL

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Preis: 7,49 EUR

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Sisi - Leben und Legende einer Kaiserin


 

Fröhliche Kindheit in Possenhofen?


Elisabeth, Herzogin in Bayern, wurde 1837 in München geboren. Dass ihr Geburtstag auf das Weihnachtsfest – dieses im betreffenden Jahr noch dazu auf einen Sonntag fiel – und dass sie bereits mit einem Zahn auf die Welt kam, wurden später als besondere Vorzeichen für ihr Leben gedeutet. Denn zunächst wies nichts darauf hin, dass dieses neugeborene Kind einen besonderen Lebensweg einschlagen würde. Ihre Familie im engeren Sinn war nicht die regierende Hauptlinie des Hauses Wittelsbach, die Herzöge von Bayern bzw. seit 1806 Könige von Bayern, sondern eine Nebenlinie, die von Johann Karl von Pfalz-Gelnhausen (1638–1704) abstammte. Dieser führte den Titel Pfalzgraf bei Rhein, Herzog in Bayern, von Zweibrücken-Birkenfeld zu Gelnhausen, Graf von Veldenz und zu Sponheim und war in zweiter Ehe mit Esther Marie von Witzleben (1666–1725) verheiratet. Nach langen Streitigkeiten wurden die Nachkommen aus dieser Verbindung in den Herzogsstand erhoben, ab 1806 konnten sie sich sogar, allerdings mit Unterbrechung unter König Ludwig I. (1786–1868), «Königliche Hoheit» nennen. Dennoch war die Linie der Herzöge in Bayern gegenüber der regierenden Linie der Wittelsbacher rangmäßig benachteiligt.

Die Eltern


Der Großvater Elisabeths, Herzog Pius August (1786–1837), galt als überaus schwieriger Mensch, cholerisch und aggressiv, der immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt kam, da er Menschen auf der Straße anpöbelte. Schließlich wurde er unter Polizeiaufsicht gestellt und in der Erbfolge übergangen; zum Oberhaupt des Hauses ernannte man seinen Sohn Herzog Maximilian Joseph (1808–1888), den Vater Elisabeths. Herzog Max, wie er meist genannt wird, stand stark unter dem Einfluss seines Großvaters Wilhelm (1752–1837), der sich ehrgeizig bemühte, der bayrischen Nebenlinie größere Bedeutung zu verschaffen, und später die Eheschließung seines Enkels mit einer Tochter des bayrischen Königs bestimmte. Nach einer ersten Erziehungsphase mit einem überstrengen Lehrmeister erhielt Max im «Königlichen Erziehungsinstitut für Studirende» auf Initiative seines Großonkels König Maximilian I. Joseph (1756–1825) in München eine gute Ausbildung. Diese verlief anders als die seiner Standesgenossen: Nicht alleine mit einem Privatlehrer, sondern in der Gemeinschaft anderer junger Menschen erlebte er seine Schulzeit. Der Leiter der Schule, Benedikt von Holland (1775–1853), förderte vor allem seine literarischen und musikalischen Fähigkeiten und erweckte indirekt sein Interesse am Zirkus. Später besuchte Sisis Vater auch Vorlesungen an der neuen Universität in München.

Herzog Maximilians Mutter Amalie Luise (1789–1823) stammte aus dem deutschen hochadeligen, aber nicht regierenden Geschlecht Arenberg. Das hatte für ihn positive Folgen, denn das reiche Erbe der Familie Arenberg ermöglichte ihm nicht nur einen Aufenthalt in Paris, wo er in Kontakt mit liberalen und republikanischen Strömungen kam, sondern auch ein finanziell sorgenfreies Leben. Dieses Vermögen machte ihn von den regierenden Wittelsbachern unabhängig, an deren Hof er auch keine offiziellen Funktionen und Repräsentationspflichten erfüllen musste.

Für seine Tochter Elisabeth, von der niemand ahnen konnte, dass sie einmal eine Kaiserin werden würde, hatte diese Verwandtschaft mit den Arenbergs allerdings keine so günstigen Folgen. Zwar war dieses Adelsgeschlecht nach dem habsburgischen Familienstatut von 1839 ebenbürtig, doch findet sich schon Elisabeths Großmutter väterlicherseits nicht mehr in der sehr eingeschränkten Liste der für das Erzhaus Habsburg als standesgemäß geltenden Familien. Da sich der Adel über 16 adelige Vorfahren inklusive aller Ururgroßeltern definierte, war die Herkunft Elisabeths nach diesen strengen Gesichtspunkten nicht lupenrein, was ihre Aufnahme in die reaktionäre Wiener Hofgesellschaft nicht gerade fördern sollte.

Elisabeths Vater hingegen zeigte keinen Standesdünkel. Er verkehrte in bürgerlichen und bäuerlichen Kreisen, war volkstümlich, liebte bayrisches Brauchtum, Schnadahüpfeln – das Singen improvisierter einstrophiger Gedichte – und Volksmusik, die er auch selbst komponierte und, mit H. M. signiert, als Notenaufzeichnungen veröffentlichte.

Zudem übte er sich in schriftstellerischer Tätigkeit und publizierte unter den Pseudonymen Bavarus Philippus oder Phantasus Erzählungen sowie Theaterstücke. Vorbild seiner literarischen Tätigkeiten war der große deutsche Dichter Heinrich Heine (1797–1856), der später auch zum Idealbild für das dichterische Schaffen von Elisabeth werden sollte. Das rege Interesse an der Wissenschaft, das Herzog Max hegte, dokumentierte sich in seiner Bibliothek, die 27.000 Bände umfasste, sowie in umfangreich angelegten Sammlungen. Dafür unternahm er weite Reisen, wie etwa jene im Jahre 1838, kurz nach Elisabeths Geburt, die ihn über Griechenland nach Ägypten und Jerusalem führte. Von dieser Expedition brachte er nicht nur zahlreiche Reiseandenken mit, die er in einem Kuriositätenkabinett ausstellte, das er im orientalischen Stil in seiner Sommerresidenz Banz einrichtete, sondern hielt die Eindrücke auch in seiner Reisebeschreibung «Wanderungen nach dem Orient» literarisch fest.

Eine weitere zentrale Rolle im Leben des unkonventionellen Herzogs spielten Zirkus und Pferde. In seinem Münchener Stadtpalais, das in den Jahren 1828 bis 1831 von dem bekannten Architekten Leo von Klenze (1784–1864) errichtet worden war, heute allerdings nicht mehr existiert, ließ er im Hof einen Zirkus einrichten, wo er selbst die Hohe Schule ritt.

Durch seine Heirat am 9. September 1828 mit Maria Ludovika (1808–1892), einer Tochter seines Großonkels König Maximilian I. Joseph, war Herzog Max mit dem bayrischen Haupthaus, der regierenden Linie der Wittelsbacher, verwandtschaftlich noch enger verbunden. Dieses Haus stellte seinerzeit mit Ludwig I., der seit 1825 regierte, allerdings 1848 wegen seiner Affäre mit der irischen Tänzerin Lola Montez (1821–1861) abdanken musste, einen gemäßigt liberalen und schöngeistigen Herrscher. Auch dessen Nachfolger König Maximilian II. Joseph (1811–1864) war, wie sein Vater, konstitutionell eingestellt, kunstsinnig und den bayrischen Bräuchen und Trachten verbunden. König Maximilians II. Sohn, Ludwig II. (1845–1886), der ab 1864 regierte und als problematischer «Märchenkönig» galt, wird uns in der Biographie Elisabeths wiederbegegnen.

Dieses aus Heiratspolitik resultierende komplizierte verwandtschaftliche Beziehungsgeflecht brachte aber noch einen Aspekt mit sich, der langfristig von Bedeutung werden sollte: Eine der älteren Schwestern Ludovikas, Sophie (1805–1872), wurde mit dem wenig begabten österreichischen Erzherzog Franz Karl (1802–1878) verheiratet, aus deren Ehe Kaiser Franz Joseph (1830–1916) hervorging – somit war Sophie zugleich Tante und spätere Schwiegermutter Elisabeths. Max und Ludovika waren über diese Eheschließung, die ihnen auferlegt wurde, nicht sehr glücklich. Ludovika, die sich eine Verbindung mit dem Prinzen Miguel von Braganza, dem späteren König von Portugal (1802–1866), gewünscht hätte, wird sogar nachgesagt, sie habe bei ihrer Hochzeit den Fluch «Dieser Ehe und allem, was daraus hervorgeht, soll der Segen Gottes fehlen bis ans Ende» ausgesprochen. Dabei handelt es sich wohl aber um eine Legende, die sich auch im Mythos um ihre Tochter Elisabeth wiederfindet.

Die Ehe von Herzog Max mit Ludovika resultierte also keineswegs aus einer Liebesheirat. Trotz der acht Kinder, die dieser Beziehung entstammten, führten die beiden ein weitgehend voneinander getrenntes Leben, was nicht zuletzt der Ausspruch Ludovikas «Wenn man verheiratet ist, fühlt man sich so verlassen» erahnen lässt. Der phantasiebegabte und lebenslustige Max, dessen diverse Veranstaltungen als die amüsantesten der Münchener Hofgesellschaft galten, kümmerte sich wenig um seine Ehefrau, war oft auf Reisen und verkehrte häufiger als mit seiner Familie mit Künstlern und intellektuellen Männern, die er in der sogenannten Artusrunde in seinem Münchener Palais um sich versammelte. Aus seinen zahlreichen Liebschaften sind zwei uneheliche Töchter bekannt, die gleichwohl freien Zugang zu ihm hatten und mittags mit ihm speisten. Ludovika, der ein eher nüchterner Charakter, trockener Humor und eine Veranlagung zur Melancholie zugeschrieben wurden, war anders als ihr Mann erzogen und viel mehr in eine höfische Ordnung eingespannt worden. Der von ihr auf Französisch überlieferte Ausspruch: «Die Prinzessinnen müssen lernen, sich mit Anmut zu langweilen», mit dem sie einen Opernbesuch ihrer Kindheit kommentierte, bringt das in einmaliger Weise zum Ausdruck.

Von den acht gemeinsamen Kindern, Ludwig (genannt Louis, 1831–1920), Helene («Néné», 1834–1890), Carl Theodor («Gackel», 1839–1909), Marie (1841–1925), Mathilde («Spatz», 1843–1925), Sophie (1847–1897) und Max Emanuel («Mapperl», 1849–1893), war Elisabeth, die von allen Sisi gerufen...