Unter Geiern - Karl May´s Gesammelte Werke Band 35

von: Karl May

Karl-May-Verlag, 2016

ISBN: 9783780217356 , 536 Seiten

Format: PDF, ePUB, OL

Kopierschutz: DRM

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Preis: 6,99 EUR

Mehr zum Inhalt

Unter Geiern - Karl May´s Gesammelte Werke Band 35


 

3. Wüstengeier (S. 354-355)

Ungefähr zwei Stunden vor der Zeit, als Hobble-Frank und Bob mit Bloody-Fox zusammentrafen, kamen zwei andere Männer aus der Richtung von Coleman City ge- ritten. Doch konnten sie diesen Ort wohl kaum berührt haben, denn sie hatten ganz das Aussehen von Leuten, die längere Zeit bewohnten Gegenden fern geblieben sind. Der eine von ihnen hatte eine lange, hagere Gestalt und ritt auf einem alten, niedrigen und scheinbar schwachen Maultier.

Er trug eine Lederhose, die jedenfalls für eine weit kürzere und dafür stärkere Gestalt zugeschnitten sein musste. Seine nackten Füße waren mit Lederschuhen be- kleidet, die so oft besetzt und geflickt worden waren, dass sie nun aus lauter Flecken und zusammengesetzten Stü- cken bestanden. Der Leib des Mannes steckte in einem Büffellederhemd, das die Brust unbedeckt ließ, weil es weder Knöpfe noch Heftel und Schlingen hatte. Die Ärmel reichten kaum über die Ellbogen vor. Um den langen Hals war ein Baumwolltuch geschlungen, dessen ursprüng- liche Farbe nicht mehr zu erkennen war.

Auf dem spitzen Kopf saß ein Ding, das vor langen Jahren einmal ein grau- er Zylinderhut gewesen war, aber heute nur noch aus der unbeschreiblich verbogenen und zerknüllten ,Angströhre‘ und einem Stückchen übrig gebliebener Krempe bestand, die der Lange zur Beschattung der Augen und zum Abneh- men der seltsamen Kopfbedeckung benutzte. Als Gürtel diente ihm ein dicker Strick, worin zwei Revolver und ein Bowiemesser steckten. Außerdem waren daran allerlei Beu- tel mit notwendigen Kleinigkeiten befestigt. Von seinen Schultern hing ein Gummimantel. Aber was für einer!

Dieses Prachtstück war gleich beim ersten Regen so einge- gangen und zusammengeschrumpft, dass es fernerhin nur wie eine Husarenjacke getragen werden konnte. Quer über seine langen Beine hatte der glückliche Be- sitzer des wunderschönen Gummimantels eine jener Rifles liegen, womit der geübte Jäger kaum jemals sein Ziel ver- fehlt. Der andere Reiter saß auf einem außergewöhnlich ho- hen und starken Klepper. Er war fett und rundlich, aber so klein, dass seine entsprechend kurzen Beine die Flan- ken des Pferdes nur halb zu fassen vermochten. Trotz der warmen Jahreszeit trug er einen Pelzrock, der allerdings an einem Überfluss von Haarlosigkeit litt.

Hätte man die Haare sammeln wollen, so wären es wohl kaum genug gewesen, um das Fell einer Maus damit auszustatten. Den Kopf be- deckte ein viel zu großer Panamahut und unter dem Pelz schoben sich zwei riesige Aufschlagstiefel hervor. Da die Ärmel des Pelzes viel zu lang waren, konnte man von dem ganzen Mann eigentlich nur das wohlgenährte, rote und gutherzig listige Gesicht erkennen. Auch er hielt eine lange Rifle vor sich.

Seine übrigen Waffen verdeckte der Pelz. Diese beiden Männer waren David Kroners und Jakob Pfefferkorn, überall nur als der Lange Davy und der Di- cke Jemmy bekannt. Sie waren unzertrennlich und lebten seit langen Jahren gemeinsam im Wilden Westen. Jemmy war ein Deutscher und Davy ein Yankee, doch hatte Davy im Lauf der Zeit von Jemmy so viel Deutsch gelernt, dass er auch diese Sprache beherrschte. Die Gegend, wo sie sich befanden, war steinig und un- fruchtbar. Der Boden trug nur knorriges Knieholz, zuweilen mit Yuccas und Kakteen vermischt. Einen Wasserlauf schien es in der Nähe nicht zu geben. Zuweilen richtete sich der kleine Dicke in den Bügeln auf, um einen weiteren Aus- blick zu gewinnen, und setzte sich dann mit einer ent- täuschten Miene in den Sattel zurück.