Ingenieurgeochemie - Technische Geochemie - Konzepte und Praxis

von: Ulrich Forstner, Peter Grathwohl

Springer-Verlag, 2006

ISBN: 9783540395126 , 472 Seiten

2. Auflage

Format: PDF, OL

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Preis: 109,99 EUR

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Ingenieurgeochemie - Technische Geochemie - Konzepte und Praxis


 

1 Technische Geochemie – Konzepte und Praxis (S. 1)

Zwei allgemein bekannte Leitperspektiven des technischen Umweltschutzes sind die verstärkte Nutzung erneuerbarer Energien und eine weitestgehende Vermeidung von Abfall. In einem dritten Sektor entwickelt sich ohne besondere öffentliche Aufmerksamkeit ein neues Langzeitdenken, das in jeder Hinsicht dem Leitbild einer nachhaltigen zukunftsfähigen Entwicklung entspricht. Es handelt sich um die nachsorgefreie Ablagerung der letztlich unvermeidbaren Restabfälle, die Optimierung des Einsatzes von Primär- und Sekundärrohstoffen und um die naturnahe Behandlung von kontaminierten Grundwässern.

Diese Praxisanwendungen von geochemischen Grundlagen werden in dem vorliegenden Buch dargestellt. Die Bedeutung des geochemisch-technischen Ansatzes lässt sich anhand der strategischen Neuausrichtung bei der Abfallentsorgung zeigen: In der Tabelle 1.1 sind noch alle Sicherungselemente des früheren „Multibarrierenkonzeptes" (Stief 1986) von der Geologie des Deponieuntergrundes bis zur Nachsorge aufgeführt.

Auch nach der TA Siedlungsabfall (TASi) von 1993 sind „Deponien so zu planen, zu errichten und zu betreiben, dass mehrere weitgehend unabhängig wirksame Barrieren geschaffen und die Freisetzung und Ausbreitung von Schadstoffen nach dem Stand der Technik verhindert werden".

Betrachtet man jedoch das auf die praktische Umsetzung gerichtete Ziel der TASi, die Ablagerung thermisch behandelter Abfälle zum Regelverfahren werden zu lassen, dann erhält die primäre Schadstoffeinbindung in der Abfallmatrix („Innere Barriere") eine hohe Priorität gegenüber den nachgeschalteten „Barrieren". Bei einem überschaubaren Spektrum an Stoffen und Reaktionen wäre es künftig möglich, mit verbesserten Prüfverfahren allein über die Zuordnungskriterien eine langfristige und weiträumige Sicherheit zu gewährleisten.

Es ist das Ziel der geochemischen Verfahrensansätze in der Entsorgungstechnik, nicht nur naturnahe, sondern auch möglichst übersichtliche Ablagerungsbedingungen zu schaffen, die eine langfristige Prognose erlauben. Diese Voraussetzungen sind bei der Hausmüllverbrennung durch die Zerstörung reaktiver organischer Substanzen und eine nachfolgende Nassbehandlung nahezu perfekt gegeben1). Bei anderen Massenabfällen wie Bergbauresten oder Baggergut muss eine dauerhafte Sicherung über die Auswahl eines geeigneten Ablagerungsmilieus erfolgen. Langzeitprognosen sind auch hier integraler Bestandteil der technischen Maßnahmen, erfordern jedoch weitergehende Informationen über die mögliche Freisetzung von Schadstoffen.

Bei der geochemischen Immobilisierung von Schadstoffen über geologische Zeiträume empfiehlt es sich, die in der Natur vorkommenden Mineralassoziatio- nen, die sich als stabil während der „sedimentären Diagenese" erwiesen haben, zum Vorbild zu nehmen. Je besser die Übereinstimmung zwischen dem anthropogenen „Sediment" und dem entsprechenden geogenen Modell, desto realistischer wird die langfristige Prognose über die Stabilität der Abfälle.

Ein klassisches Beispiel, bei dem von Seiten der Technischen Mineralogie erstmals eine solche umweltrelevante Problemstellung gelöst wurde, ist die Mineralisierung von hochradioaktiven Abfalllösungen in der nuklearen Entsorgungstechnik (Ringwood u. Kesson 1988). Jedoch müssen nicht nur radioaktive Abfälle, sondern auch nichtradioaktive Sonderabfälle oftmals mit der gleichen Sorgfalt von der Biosphäre isoliert werden.

Geowissenschaftliche Erkenntnisse und Informationen gehören heute zu den unverzichtbaren Grundlagen langfristig umweltverträglicher und damit zukunftsträchtiger Technologien zum Schutze unserer Umwelt. Die Anwendung geochemischer Kenntnisse bei der Erschließung und Nutzung von Ressourcen lässt sich zwar bis in die Antike zurückverfolgen, jedoch erfolgte bezüglich des Umweltschutzes der eigentliche Durchbruch erst in jüngster Zeit – nicht zuletzt dank der Entwicklung des erforderlichen analytischen Instrumentariums.

Da sich auf lange Sicht jede Entsorgung innerhalb der Anthroposphäre auf die natürlichen biogeochemischen Kreisläufe auswirken wird, ist für neue entsorgungstechnische Konzepte ohne Einbeziehung der natürlichen Mechanismen zur Verringerung von negativen Umweltauswirkungen durch Schadstoffe bei steigendem Umweltbewusstsein keine breite Akzeptanz zu erwarten.