Die drei !!!, 46, Filmstar in Gefahr (drei Ausrufezeichen)

von: Henriette Wich

Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, 2014

ISBN: 9783440141717 , 144 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: DRM

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Preis: 5,99 EUR

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Die drei !!!, 46, Filmstar in Gefahr (drei Ausrufezeichen)


 

Marie im Einsatz


Es war kalt, als Marie nach Hause ging. Dunkel und kalt. Die Absätze ihrer Lederstiefel hallten auf dem nassen Asphalt. Ein rätselhaftes Knistern begleitete jeden ihrer Schritte, kaum hörbar, weil der Wind immer wieder Herbstblätter über den Gehsteig fegte. Marie schloss die Finger fester um die Schlaufen ihrer Einkaufstüten. Ein feines Lächeln umspielte ihre Mundwinkel. Keiner der missmutig dreinblickenden Fußgänger, die ihr mit hochgestellten Mantelkragen entgegenkamen, erriet den Grund für ihr Lächeln. Einzig und allein Marie als clevere Detektivin wusste, woher das merkwürdige Knistern kam: aus ihren Einkaufstüten!

»It’s magic, our world is magic«, sang sie und schwenkte dabei die prall gefüllten Taschen. Der neue Song von den Boyzzzz passte perfekt zum heutigen Tag.

Maries Shoppingtour in der Innenstadt war ein voller Erfolg gewesen. In drei verschiedenen Spezialgeschäften hatte sie sich die Einzelteile zu einem sensationellen Halloween-Outfit besorgt: violetten Seidenstoff für ein bodenlanges Kleid, luftigen Tüll für einen Schleier, einen Zauberstab und eine glitzernde Zauberkugel. Dieses Jahr würde sie als Magierin gehen. Tessa hatte versprochen, ihr beim Nähen zu helfen. Maries Stiefmutter war hochschwanger und verbrachte die letzten Wochen vor der Geburt des Babys zu Hause. Marie freute sich schon sehr auf das Geschwisterchen – und natürlich auf die Halloweenparty in vierzehn Tagen.

»I am magic, I am magic, yes, so magic!« Marie veränderte den Text des Popsongs ein wenig und beschleunigte ihre Schritte. Der Weg war ihr bestens vertraut. In dem Stadtviertel, das sie gerade durchquerte, hatte sie früher gewohnt.

Also, wen sollte sie alles zu ihrer Halloweenparty einladen? Marie stellte in Gedanken die Gästeliste zusammen. Kim und Franzi, ihre Freundinnen vom Detektivclub Die drei !!!, mussten auf jeden Fall dabei sein. Außerdem wollte sie ein paar Freunden aus der Schule Einladungskarten schicken. Die alte Villa, in der Marie mit ihrer Patchworkfamilie lebte, war schließlich groß genug.

Marie blieb nachdenklich vor ihrem ehemaligen Haus stehen. Vielleicht hatte ja auch Adrian Lust zu kommen? Ihr Herz schlug ein paar Takte schneller, als sie an ihren früheren Nachbarn dachte. Eine Zeit lang war sie sehr verliebt in den 18-jährigen Schauspielschüler gewesen, bis sie einsehen musste, dass der Altersunterschied zwischen ihnen zu groß war. Wirklich schade.

»Hey, wie lahm schlurfst du denn durch die Gegend?«, rief plötzlich jemand.

Marie drehte sich empört um. Die Stimme kam von einem jungen Typen mit Bikerjacke und ausgefransten Jeans. Er war mit seinen Kumpels unterwegs, zwei Jugendlichen, die sich besonders cool vorkamen. Marie wollte eine bissige Bemerkung zurückgeben, als ihr klar wurde, dass der Typ gar nicht sie meinte, sondern ein Mädchen in ihrem Alter, das unsicher stehen blieb.

»Denkst du, der Gehsteig gehört dir ganz allein, oder warum machst du dich so breit?«, fragte der Typ mit der Bikerjacke angriffslustig. Er war offensichtlich der Anführer der Clique. Seine Freunde wieherten vor Lachen und schlugen sich mit den Händen auf die Oberschenkel.

Das Mädchen wich schweigend einen Schritt zurück. Bereits vorher hätte die Clique problemlos an ihr vorbeigehen können, und jetzt war mehr als genug Platz. Doch die Jungs dachten nicht daran, das Feld zu räumen.

»Lasst mich in Ruhe«, sagte das Mädchen leise. »Geht weiter.«

Ein Junge mit einer XXL-Wollmütze legte sich die Hand ans Ohr. »Hä?? Was hast du gesagt? Du musst lauter reden.«

»Richtig«, sagte der Kumpel neben ihm. »Sonst versteht dich mein Freund hier nämlich nicht.« Grinsend zeigte er auf seine Schulter.

Marie kniff die Augen zusammen. Sie brauchte eine Weile, bis sie den geduckten, schwarzen Schatten auf der Schulter identifizieren konnte. Es war ein kleines, struppiges Tier mit spitzen Zähnen, die im Licht der Straßenlaterne weiß aufblitzten. Eine Ratte!

»Jetzt reicht’s!« Marie ließ ihre Einkaufstüten fallen und lief energisch zur Clique hinüber. »Ihr habt ganz genau gehört, was das Mädchen gesagt hat. Ihr sollt sie in Ruhe lassen!«

Verblüfft wandten sich die Jungs ihr zu.

Der Anführer der Clique runzelte die Stirn. »Noch so eine kleine Kröte! Halt dich gefälligst da raus, ja? Das geht dich überhaupt nichts an.«

Marie widersprach: »Und ob mich das was angeht!« Sie winkte einem Pärchen, das in der Nähe vor einem Schaufenster stand. »Diese Jungs belästigen das Mädchen hier. Die lassen sie einfach nicht weitergehen. Kommen Sie bitte mal her!«

Das Pärchen sah kurz herüber, zögerte und lief dann hastig in die entgegengesetzte Richtung. »Danke für die Mithilfe!«, rief Marie verärgert und sah sich nach weiteren Passanten um. Ein Mann mit Aktenkoffer hatte es so eilig, dass er nicht einmal auf Maries »Hallo« reagierte. Hinter ihm tauchten zwei Frauen auf.

Marie versuchte es wieder. »Bitte bleiben Sie kurz stehen. Hier …«

Doch die Frauen schauten weg und gingen einfach weiter. Marie stampfte wütend mit dem Fuß auf. Sie wandte sich wieder der Clique zu, nahm all ihren Mut zusammen und holte tief Luft. »Lasst das Mädchen weitergehen. Sofort!«

Die Jungs bogen sich vor Lachen. »Sofort, sofort!«, äffte der Jugendliche mit der Wollmütze Marie nach. »Und was ist, wenn wir keine Lust haben? Wenn wir mit dem netten Mädchen noch ein bisschen quatschen wollen?«

»Sie will aber nicht mit euch quatschen, stimmt’s?«, gab Marie zurück.

Das Mädchen warf Marie einen dankbaren Blick zu. Sie nickte, konnte aber vor Angst nicht sprechen.

Der Typ mit der Bikerjacke baute sich vor Marie auf. »Du nervst uns total, merkst du das eigentlich nicht?«

»Fragt sich, wer hier wen nervt.« Marie versuchte, ganz cool zu wirken, was ihr zunehmend schwerfiel. Angestrengt fixierte sie einen Pickel auf der Stirn des Anführers. Sie hätte ihm auch direkt in die Augen sehen können, aber das hätte ihn womöglich noch angriffslustiger gemacht.

»Mann, ist die Kleine stur!«, stöhnte der Jugendliche mit der Wollmütze. »Da hab ich echt keinen Bock drauf.«

Sein Freund streichelte die Ratte. »Ich auch nicht. Cinderella friert. Die Arme holt sich noch eine Lungenentzündung.«

»Ihr bleibt hier!«, sagte der Anführer. Er hatte den Befehlston gut drauf, und der Blick, mit dem er Marie fixierte, war eisig.

Marie war bestimmt kein Feigling, aber jetzt fühlte sie sich immer unwohler in ihrer Haut. Jeder Teil ihres Körpers wollte fliehen, doch ihr Wille war stärker. Mutig machte sie einen Schritt auf den Anführer zu. »Lasst das Mädchen gehen oder ich laufe ins nächste Polizeipräsidium und erstatte Anzeige gegen euch!«

Sie hatte ihn doch tatsächlich für einen Augenblick aus dem Konzept gebracht. »Das … das … du spinnst wohl!«, presste er wütend hervor.

»Nein, sie spinnt ganz sicher nicht!«, mischte sich plötzlich ein junger Mann ein.

Marie stieß einen leisen Schrei aus. »Adrian!«

Er war es tatsächlich. Die schwarzen Laufklamotten und das neongelbe Stirnband standen ihm richtig gut. Adrian überragte die Jugendlichen mit seiner hochgewachsenen, schlanken Figur. »Verzieht euch!«, knurrte er.

Der Anführer hob beschwichtigend die Arme. »Immer mit der Ruhe, Alter, wir haben heute noch was Spannenderes vor.« Er gab seinen Kumpels ein Zeichen und die Clique dampfte ab.

Das Mädchen lehnte den Kopf gegen die Hausmauer und stöhnte leise. Marie war sofort bei ihr. »Alles okay?«

»Hmm … geht schon wieder«, murmelte sie und schlang zitternd die Arme um ihren Oberkörper.

Adrian sagte: »Die sind weg und kommen garantiert nicht wieder. Du bist in Sicherheit.«

Das Mädchen sah bewundernd zu Marie auf. »Ihr habt mich gerettet. Ich weiß gar nicht, wie ich euch danken soll. Vor allem dir … äh …«

»Marie. Und das ist Adrian, ein guter Freund von mir. Das haben wir doch gern gemacht. Anderen zu helfen, sollte eigentlich selbstverständlich sein – dachte ich zumindest bis heute.« Marie erinnerte sich grimmig an die verantwortungslosen Fußgänger, die sie im Stich gelassen hatten. Es wäre so viel einfacher gewesen, wenn sich mehrere Leute zusammengetan und der Clique ordentlich Stress gemacht hätten. Das wäre Zivilcourage gewesen.

»Trotzdem noch mal tausend Dank!« Das Mädchen schüttelte Marie die Hand. »Ich heiße übrigens Emma. Wenn ich das nächste Mal in so einer Situation bin, denke ich einfach an dich. Bestimmt kann ich dann viel mutiger auftreten, so wie du.«

Marie wurde verlegen. »Oh … du übertreibst. Die Ratte hätte mir fast den Rest gegeben, das schwör ich dir. Ich hasse Ratten!«

Emma musste lachen, als Marie übertrieben die Augen aufriss.

»Können wir sonst noch was für dich tun?«, erkundigte sich Adrian. »Sollen wir dich nach Hause begleiten?«

Emma schüttelte energisch den Kopf. »Nicht nötig. Mein Bus fährt gleich an der nächsten Kreuzung ab, und an der Endstation holt mich meine Mutter ab.«

»Wir bringen dich gerne zur Haltestelle«, bot Marie an.

Emma war einverstanden. Der Schreck saß ihr bestimmt immer noch in den Knochen. Zu dritt gingen sie bis zur nächsten Kreuzung. Sie mussten nur wenige Minuten warten, dann kam auch schon der Bus. Emma sprang hinein, ließ sich auf den nächstbesten Fensterplatz fallen und...